Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Hoffnung inmitten des Chaos

Der Auftritt des Musikers und Komponisten Aeham Ahmad bewegte das Publikum

Aeham Ahmad legte all seine Emotionen in den Auftritt. Foto: Rainer Nix.

Es war ein hochemotionaler Abend in der voll besetzten Bagno-Konzertgalerie. Am 29. Juli gastierte dort auf Einladung des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken der syrisch-palästinensische Musiker Aeham Ahmad, weltweit bekannt geworden als „Pianist aus den Trümmern“. Dr. Esther Brünenberg-Bußwolder, Referentin für Erwachsenenbildung, kündigte das Lebensbeispiel und die Musik eines Flüchtlings aus Syrien an, dessen inspirierende Musik Ohren, Augen und vor allem die Herzen erreicht. „Kultur und Geschichte Syriens faszinieren“, so die Referentin, „dort ist die Hoffnung auf ein gutes Morgen zu spüren.“ Diese Hoffnung, die Historie und die Sehnsucht nach einem dauerhaften Frieden spiegeln sich in Ahmads Musik. Sein Spiel am schwarzen Bechstein-Flügel war unglaublich virtuos, manchmal geradezu erschreckend und machte die Zerrissenheit zwischen Angst und Zuversicht drastisch deutlich.

Moderatorin Brünenberg-Bußwolder las aus seiner Autobiographie „Und die Vögel werden singen“, die vom Krieg, seiner Flucht nach Europa und der Liebe zur Musik zeugt. Aeham Ahmad wuchs als palästinensischer Flüchtling im syrischen Flüchtlingslager Yarmouk in Damaskus auf. Ein YouTube-Video machte den ehemaligen Studenten der musikalischen Fakultät der Baath-Universität in Homs bekannt. Es prägte sich unzähligen Menschen ein, wie er im grünen T-Shirt inmitten der zerstörten Häuser seiner Heimatstadt Yarmouk am Klavier sitzt und für die hungernden Menschen spielte. Das war Ausdruck des Widerstandes gegen das menschliche und materielle Elend, das der Bürgerkrieg mit sich brachte. Seit 2013 war die Stadt von verschiedenen Parteien umkämpft, mit Anhänger oder Pickup fuhr der Musiker auf seinem Klavier spielend durch die Straßen. Erschreckend, zu hören, wie das Piano von Kämpfern des „Islamischen Staates“, die das Flüchtlingslager Yarmouk 2015 einnahmen, mit Benzin übergossen und angezündet wurde. Die Islamisten sehen es als schwere Sünde an, ein Musikinstrument zu besitzen.

Das Publikum im Konzertsaal erlebte zwischen den eindrucksvollen Textpassagen Ahmads Kompositionen. Expressiv, aufwühlend, atmosphärisch dicht sind die Stücke, oft begleitet er sich selbst mit einem langgezogenem Klagegesang, der fast immer in hoffnungsvolle Harmonien mündet. Er scheut sich nicht, Emotionen in seiner Mimik offen zum Ausdruck zu bringen. Es wirkt theatralisch, doch ist es das auch? Wut und Angst vermitteln sich, aber auch die Sehnsucht nach Versöhnung, nach einer besseren Zeit für seine Heimat. Was bedeutet dieser Begriff für ihn? Er sagt es deutlich: „Heimat ist dort, wo ich meine Meinung frei äußern darf, wo ich frei denken und leben kann“. Darum war es für ihn so wichtig, in Deutschland anzukommen. Im September 2015 erreichte er die Bundesrepublik, wo auch seine Familie lebt.

Er weiß furchtbare Geschichten aus Syrien zu erzählen, wie die vom Honighändler, dessen schwangere Frau stirbt, weil sie bei der Überprüfung an einem Checkpoint zu lange aufgehalten wird. Auf Bitten des Mannes schrieb er ein Lied für diese Frau. Es ist ein Sprechgesang, die Töne, die er dem Flügel entlockt, sind wild, ungezügelt bis hin zu kakofonisch klingenden Dissonanzen. Das Stück macht die Gewalt deutlich, mit der die Menschen geknechtet werden, angesichts des übermächtigen Krieges, der menschliche Schicksale besiegelt. Dem gegenüber stehen harmonische Klangfolgen, mit textlosem Gesang begleitet. Der mit dem internationalen Beethovenpreis für Menschenrechte, Frieden, Freiheit, Armutsbekämpfung und Inklusion ausgezeichnete Klavierspieler nimmt sein Publikum mit, fordert es auf, mitzusingen. Nicht wenige gingen darauf ein.

Bei allen Kompositionen schimmert immer wieder die klassische Musikausbildung durch, bekannte Passagen Beethovens und Mozarts, die Basis der Stücke sind. Trotz all des Schmerzes, der Melancholie, Wut und Verzweiflung, die seine Musik ausdrücken, ist Aeham Ahmad kein Pessimist. „Die Tage werden heller für ihn in Deutschland“, so Brünenberg-Bußwolder, "manchmal hofft er, die Welt mit seiner Musik bewegt zu haben.“

Text: Rainer Nix.