»Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.« Epheser 4,26  – Monatsspruch Februar

Liebe Leserin, lieber Leser!

Als Kind galt ich in meiner Familie als jähzornig: Wenn ich wütend war, knallte ich oft laut mit den Türen – ein No-Go bei uns zu Hause!
Genau dieses Zorn-Tabu meiner Kindheit kann ich rückblickend immer weniger verstehen, da ich im Laufe meiner Jahre immer mehr begriffen habe, wie verheerend es sein kann, Wut und Zorn stillschweigend herunter zu schlucken.

Natürlich sollte niemand willkürlich darunter leiden, dass ich Wut im Bauch habe, aber ich weiß auch: Wut und Zorn brauchen ein Ventil – daher gefällt es mir, dass der Monatsspruch für den Februar den Zorn nicht per se verdammt, stattdessen aber vor den bösen Folgen warnt, die Zorn durchaus zeitigen kann – dann, wenn Zorn in Gewalt ausartet oder in andere Grenzverletzungen.

Mit dem zweiten Teil des Satzes, der dazu anregt, sich noch vor dem Schlafengehen zu versöhnen, tue ich mich hingegen etwas schwer. Denn immer wieder habe ich erlebt, wie ich mit Wut auf jemanden zu Bett ging, und am anderen Morgen ist mein Zorn verraucht und ich kann den Grund für meine Wut nun mit der nötigen Ruhe klären (oder es auch einfach mal gut sein lassen). Jedoch muss ich auch gestehen, dass es mit dem Einschlafen am Abend zuvor in der Regel nicht so gut klappte… Vielleicht ist das auch der tiefe und seelsorgerliche Grund für diesen Rat im Epheser-Brief – nach dem Motto: Am Abend eines jeden Tages tu dir etwas Gutes und gib ab, was Dich belastet: Alles Unfertige, allen Zweifel, auch deine Wut, denn da ist einer, bei dem kannst Du alles abladen und alles gut sein lassen.

Solch eine Entlastung am Ende eines Tages finde ich oft im Gebet: Ich gebe ab und empfange: Frieden im Herzen, Ruhe für den Schlaf und Kraft für den nächsten Tag. Gott sei Dank!

Herzlich grüßt Sie/Euch
Ihre/Eure Susanne Falcke
(Superintendentin)


»Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.« Johannes 6,37  – Jahreslosung 2022


Liebe Leserin, lieber Leser!

Abgewiesen zu werden ist eine schmerzliche Erfahrung! Ungeimpfte erleben es jetzt bei mancher Kontrolle. Unglücklich Liebende erleben es – das schmerzt richtig. Wer sein Passwort vergessen hat, erlebt es auch. Abgewiesen werden ist hart.

Der Herr unserer Kirche und unseres Lebens macht uns alle Türen auf. Sein Versprechen: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Wenn das nicht nur das Leitwort für das Jahr 2022, sondern auch generell für unser Handeln als Kirche ist, werden wir eine einladende, offene, an jedem Menschen interessierte Willkommens-Kirche sein.

Doch was, wenn keiner mehr kommt, um dieses wunderbare Wort des Lebens zu hören? Wir erleben ja durchaus schmerzhaft, dass die uns vertraute Art, wie wir  eine „Komm-und-sieh-Kirche“ sind, viel
zu viele Menschen nicht mehr erreicht.

Das ist nicht unsere Schuld. Viele von uns versuchen viel, um attraktive Angebote von Gottesdienst und Gemeinschaft zu machen. Aber es wäre unsere Schuld, würden wir die Augen davor verschließen, dass unsere Welt und die Lebensorientierung von Menschen sich verändert haben.

Professorin Uta Pohl-Patalong empfahl in ihrem bedenkenswerten Vortrag auf unserer letzten Synode eine neue „Kultur des Lassens“ – nicht um untätig zu sein, sondern um Freiräume zu schaffen, neue Wege zu den Menschen zu erproben.

Auch ich freue mich auf neue Freiräume, wenn ich jetzt aus dem aktiven Dienst in „meinem“ Kirchenkreis ausscheide, um den Staffelstab weiterzugeben. Eine Zeitlang gestalten wir mit, wir kommen und wir gehen. Beständig bleibt allein die Zusage dessen, der uns an Weihnachten nahekommen will in dem Kind in der Krippe. Er bleibt treu und wird uns Wege zeigen.

Ich wünsche Euch und Ihnen allen frohe und gesegnete Weihnachten und verabschiede mich mit einem herzlichen „Gott befohlen“!
Ihr Joachim Anicker


»Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus.«   2. Thess. 3,5 – Monatsspruch für November

Liebe Leserin, lieber Leser!


Wenn ich eines hasse, dann ist es Warten. Gut, ich gebe zu, ich gehöre zu den Menschen, die sich die Wartezeit beim Arzt gerne mit Zeitschriften oder dem Smartphone in der Hand verkürzen. Warten ist so wahnsinnig unproduktiv. Was könnte man in der Zeit nicht alles schaffen!

Man kann natürlich auch anders warten: gespannt, mit Vorfreude, erfüllt, zielgerichtet. Wann kommt der erwartete Mensch endlich an? Wann kommt die erlösende Nachricht? Wie lange noch bis zu dem Tag, auf den ich mich gefreut habe?

Dieses Warten ist wohl gemeint, wenn es für uns Christen darum geht, auf Christus zu warten. Wann kommt er wieder, um diese Welt zu erlösen? Um Leid, Tod und Tränen für immer zu beenden?

Im Moment erlebe ich für mich das Warten zwiespältig. Noch rund 60 Tage bis zum Ruhestand. Was erwartet mich da? Was mache ich mit der geschenkten Zeit, die dann im Überfluss da ist? Wie wird es mir gehen mit dem Loslassen, dem Nicht-mehr-gebraucht-Werden? Doch, ich freue mich darauf, Verantwortung und manche Mühsal abgeben zu können. Zugleich fürchte ich die Erfahrung von Leere. Wer bin ich ohne das Amt mit seinen täglichen Anforderungen, die ja auch erfüllt haben?

Ich bin gewiss nicht allein mit solchen Gedanken. Die Spannung durchzieht ja unser ganzes Leben, und sie wird es tun bis zum Ende: Was kommt? Daran erinnert der Monat November mit seiner Ausrichtung auf Vergänglichkeit und Abschied. »Die Blätter fallen, fallen wie von weit…«

Und doch: Bleiben die Herzen ausgerichtet auf die Liebe Gottes und das Warten auf Christus, gehen wir durch Abschiede und Dunkelheit auf das Licht zu – mal mutig, mal ängstlich, mal getrost. Immer im Ver-trauen: ER kommt! Was erwartet uns? Leben! Erfüllte Zeit! Gerade weil alles vergeht. Der Advent ist ja nicht mehr weit…

Herzlich grüßt
Ihr Joachim Anicker


»Lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken.« Hebr. 10,24 – Monatsspruch für Oktober

Liebe Leserinnen und Leser!

Zeitung und Fernsehen stellen in den letzten Monaten immer wieder Menschen vor, die in ganz erstaunlicher Weise uneigennützig anderen helfen.

Da wird ein Monteur, der seinen Jahresurlaub damit verbringt, in den Flutgebieten verschlammte Erntemaschinen wieder flott zu machen, gefragt: „Warum machen Sie das?“ Seine Antwort: „Weil ich es kann. Weil es sich gut anfühlt, den Menschen hier zu helfen. Und vielleicht bringe ich andere auf die gleiche Idee.“
Eine Weinbäuerin steht daneben und weint Tränen der Dankbarkeit. Das berührt mich. Chapeau! denke ich.

Menschen wie er sind eine gute Nachricht für unsere Welt. Nicht nur Hass und Hetze tun ihre verderbliche Wirkung, sondern auch Güte und Großzügigkeit im Helfen, Schenken, aufeinander Achthaben. Es ist wichtig, dass die Medien das „bringen“, gewissermaßen als „Gegengift“ gegen die tägliche Flut von Katastrophen und schlechten Nachrichten. Das Gute, das Menschen tun, spornt auch mich und andere an zu guten Werken.

Egal, wie unsere Regierung demnächst aussieht, es wird eine Hauptaufgabe der Regierenden sein, Menschen zu ermutigen, aufeinander achtzuhaben. Unsere Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn wir den Nachbarn im Blick behalten, merken, wo es ihm fehlt: achtsam, solidarisch.

Dass wir das als Christen und als Kirche tun, scheint selbstverständlich. Der Hebräerbrief weist aber darauf hin, dass wir es nicht als „Opfer“ tun müssen, um uns den Himmel zu verdienen. Sondern weil Gott alles längst für uns getan hat, darf unser ganzes Leben dankbare Antwort auf dieses Riesengeschenk sein: Sorg dich um andere, denn für dich ist gesorgt.

Ach, es tut so gut, von der Liebe angespornt zu werden. Ja: es macht glücklich!
Herzlich grüßt
        Ihr Joachim Anicker


»Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt‘s in einen löchrigen Beutel.« Haggai 1,6 – Monatsspruch für September

Liebe Leserinnen und Leser!

Da langt der Prophet aber ordentlich zu! Ist das Kapitalismuskritik oder ein Appell pro Nachhaltigkeit?  Anprangerung einer sinnentleerten Konsumgesellschaft.

Als 50 Jahre nach einem verlorenen Krieg im Jahre 538 v. Chr. die Heimatvertriebenen aus Babylon  zurückkehrten, fanden sie dort unberührt die Ruine des zerstörten Salomonischen Tempels. Drumherum sah es wohl ähnlich aus wie im Kreis Ahrweiler nach der verheerenden Flut: alles in Trümmern, zerstört, kaputt. Grauenhaft!
Was die zurückgekehrten Judäer damals taten, ist so, als würden heute in den Flutgebieten als erstes die Kirchen wieder aufgebaut. Haggai predigte, dass es nicht reicht, sich wieder schön einzurichten. Er rief in den Ruinen zum Wiederaufbau des Tempels auf: Gott will bei euch wohnen!
Und sie gingen an den Bau des Tempels, als wollten sie sagen: Gott hat uns einen Neuanfang geschenkt! Was nützen uns Wohlstand und Konsum ohne wärmende Mitte, die dem Leben Sinn gibt und uns zusammenhält? Wir wollen keine Stadt ohne Gott. Ihm gebührt der erste Platz!
Klar blieb das damals nicht unwidersprochen. Es gab politischen Streit und einen 16-jährigen Baustopp. Das kennen wir ja heute noch, wenn auch mehr bei Kraftwerken und Windrädern.

Immer geht es um die Grundsatzfrage: Wie wollen wir leben? Kann es uns gutgehen, wenn die Welt buchstäblich den Bach runtergeht? Wem / was räumen wir Priorität ein? Das Geld, das zur Finanzierung all der Folgen unseres verrückten Lebensstils aufgebracht werden muss, zerrinnt uns zwischen den Fingern: löchriger Beutel eben!

Umkehr ist möglich! Heute anzufangen war schon damals eine prophetisch-gute Idee.

Herzlich grüßt Ihr Joachim Anicker