Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Christsein in einer veränderten Welt

Professor Okko Herlyn erinnerte in seinem Vortrag in der Großen Kirche Steinfurt an die grundlegenden Erkenntnisse der Reformation

Prof. Dr. Okko Herlyn bei seinem Vortrag in der Großen Kirche Steinfurt (Foto: Rainer Nix).

Zentrale reformatorischen Grundsätze bildeten die Basis eines Vortrages von Professor Dr. Okko Herlyn in der Großen Ev. Kirche Burgsteinfurt. Nach langer Zeit war wieder eine Präsenzveranstaltung möglich, worüber sich Dr. Esther Brünenberg-Bußwolder, Referentin für Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken, besonders freute. Vor Beginn seiner Ausführungen führte sie ein Interview mit dem Gast, in dem er kurz Stationen seines Lebens erläuterte. „Mein Herz schlägt besonders für die Region des Niederrheins“, verriet er, wo er längere Zeit lebte.

„Ich glaube … ja, was eigentlich? - Christsein in einer veränderten Welt“ war der Vortrag mit anschließender Fragestunde und Diskussion überschrieben. Vielen Christen gehen die Worte „Ich glaube“ leicht über die Lippen. Wenn diese Aussage allerdings vertieft werden soll, herrscht jedoch Sprachlosigkeit. „Wir müssen wieder Mut finden zu formulieren, was uns am Glauben wichtig ist“, betonte der Referent, „meine Leidenschaft ist, Menschen dabei zu unterstützen, ihre eigene Sprache zu finden.“ „Der Blick für den Kern, die zentralen Inhalte christlichen Glaubens ist vielfach verlorengegangen“, befürchtet der Pfarrer sowie Professor für Ethik, Anthropologie und Theologie. In anderen Religionen sei das nicht so, dort herrschten klare Vorstellungen von Gut und Böse, Richtig und Falsch. Jedoch: „Mich überzeugen Menschen, die Zweifel und Anfechtung als Teil ihres Glaubens akzeptieren“, hob der Referent hervor.

Herlyn tritt für christliche Zivilcourage ein, dazu zitierte er aus dem Römerbrief des Paulus-Evangeliums: „Fügt euch nicht in das Schema dieser Welt.“ Kirche hat eine Botschaft. Sie muss sich nicht aus weltlichen Belangen heraushalten, denn Glaube ist kein Selbstzweck. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“, spricht Jesus Christus, zitiert nach dem Johannes-Evangelium. Diese Erkenntnis gab dem großen Reformator Martin Luther Kraft, sich Kaisern, Königen und dem Papst entgegen zu stellen. Heutzutage hingegen würden oftmals „Patchwork-Religionen“ kreiert, die sich aus diversen „Schubladen – hier ein bisschen Christentum, dort ein wenig fernöstliche Mystik - herauspickten, was ihnen gefällt“.

Der Professor berief sich auf reformatorische Grundsätze: „Allein Jesus Christus (Solos Christus)“, „Allein die Bibel (Solos skriptural)“, „Allein aus Gnade (sela Gratias)", „Allein aus Glauben/Vertrauen (sola fide)" sowie das Priesteramt für alle. „Gott finden wir zuallererst und einzig in seinem Wort, in der Heiligen Schrift“, ist Herlyn überzeugt. Die Bibel sei weit mehr als ein „Topf mit Sprüchen“, sie sei für die Reformatoren Richtschnur der Wahrheit gewesen. „Wir müssen uns der Bibel nicht schämen“, so der Dozent, gleichwohl dürfe es im Dialog mit anderen Religionen nicht darum gehen, wer „Recht“ habe. „Glaube heißt zunächst einmal, alles loszulassen und sich Gott ganz anzuvertrauen“, brachte er es auf den Punkt. Dies sei das von den Reformatoren wiederentdeckte Glaubensmodell.

Ein wichtiger Aspekt ist auch das „Priesteramt für alle Menschen“: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“, heißt es im Matthäusevangelium. „Wenn das Priestertum aller ernster genommen werde, könne die Evangelische Kirche ein anderes Gesicht bekommen“, gab Herlyn zu bedenken. „Wie sähe die Leitung einer Gemeinde aus, die nicht pastoral bevormundet würde?“, stellte er provokant in den Raum. Wie wäre eine Verkündigung, bei der die Betroffenen selbst zu Wort kommen würden?

Okko Herlyns Vortrag war ein Plädoyer für Gottes Wort mit unverwechselbarer Bindung an die Heilige Schrift. Der Professor wurde bekannt durch zahlreiche Publikationen, allen voran der Bestseller „Was ist eigentlich evangelisch?“ Zudem ist er vielfach als Kabarettist, Liedermacher und literarischer Kleinkünstler unterwegs.

Rainer Nix