Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Winfried Nachtwei referierte über Kriege und Friedensmöglichkeiten

Ehemaliges Mitglied des Bundestags beim Sozialen Seminar in Dülmen

v.l. Dr. Esther Brünenberg-Bußwolder, Referent Winfried Nachtwei und Dr. Lothar Moschner. Foto: Elvira Meisel-Kemper

Kriege und Krisen erschüttern die Welt in der Gegenwart und auch in der Vergangenheit. Winfried Nachtwei, Mitglied des Bundestages von 1994-2009 mit Schwerpunkt im Verteidigungsausschuss, beschäftigt sich bis heute mit Krisenbewältigung, Prävention von Krisen und Friedensförderung. Nicht umsonst lautete sein Thema am dritten und letzten Abend des Sozialen Seminars vor rund 40 Besucher:nnen im evangelischen Gemeindehaus in Dülmen „Worin bestehen die Dimensionen des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart? Wie können Wege zum Frieden aussehen?“

Dr. Esther Brünenberg-Bußwolder, Dr. Lothar Moschner und der Dülmener Presbyter Thorsten Bomm sind die Initiatoren des Sozialen Seminars in Dülmen. Moschner und Bomm verabschiedete sich nach über 20 Jahren von dieser Tätigkeit. Brünenberg-Bußwolder, zuständig für die Erwachsenenbildung im Evangelischen Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken, wird das Seminar weiterführen.

„Ich habe Glück gehabt. Ich gehöre zum ersten Friedensjahrgang nach 1945“, so Nachtwei in Anspielung auf sein Geburtsjahr 1946. Schon in seiner Examensarbeit hat der Grünen-Politiker und Dülmener Geschichtslehrer sich mit derartigen Themen beschäftigt.
Das atomare Wettrüsten in den 1980er Jahren habe ihn am meisten geprägt. Die friedlichsten Regionen weltweit seien immer noch Europa und Australien. Den Grund sah er in den Bündnissen der Nato und in den Vereinten Nationen, denn das bedeute „kollektive Sicherheit“. Hautnah erlebte er bei den Reisen als Bundestagsabgeordneter die Balkankriege mit, in die Deutschland involviert gewesen sei. „Sarajewo wurde drei Jahre lang belagert. Wenn man am Tatort steht, ist es noch etwas anderes als nur die Fernsehaufnahmen zu sehen. Meine Erkenntnis damals war, dass der Einsatz von Gewalt zum Schutz der Zivilbevölkerung notwendig sein kann.“
Durch das Einwirken der UN konnte 1998 der Kosovo-Konflikt beigelegt werden. „In den letzten 15 Jahren wurden mehr Bürgerkriege durch Verhandlungen der UN beendet als in den letzten 200 Jahren." Auch der Afghanistan-Konflikt war ein Thema in seinem Rückblick. Keiner der beteiligten Nationen wollte als Besatzer auftreten. Allerdings habe es an Landeskenntnis gemangelt. Ab 2017 sind dort circa 10.000 Soldaten und Polizisten zu Tode gekommen. „In der öffentlichen Wahrnehmung wurde das schönfärberisch dargestellt.“
Genauso deutlich war sein Blick auf den Ukraine-Krieg. Deutschland habe in den Jahren 1941 bis 1945 in der Ukraine die größten Massenmorde verübt. „Wir müssen aus diesen Erfahrungen lernen“, so Nachtwei. Im Unterschied zu den 1980er Jahren sei heute Abschreckung zur Friedenssicherung notwendig. Diplomatie und Diskussionen seien notwendig, denn die Bewältigung der Klimakatastrophe ließe sich ohne Russland nicht realisieren. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist die verstärkte Unterstützung notwendig. Die Ukraine muss nennenswerte Erfolge erzielen. Erst dann sind Gespräche sinnvoll. China hat als einziges Land Druckmöglichkeiten gegen Russland“, ergänzte Nachtwei in der Diskussion. Die Nato habe der Ukraine-Krieg wieder wachgerüttelt und zusammengeschweißt – das wertete Nachtwei abschließend als positives Signal.

Text: Elvira Meisel-Kemper