Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken Pressemitteilung

Schrei nach Stille

Symposium „Stille - Meditation - Gesundheit“ bringt rund 100 Interessierte für drei Tage in Burgsteinfurt zusammen – annähernd 50 Vorträge und Workshops.

Neben Workshops, Vorträgen und Konzerten luden meditative Gottesdienste zum Besinnen und Erleben ein.

„Alles immer schneller oder was?“ – Diese Frage diskutierten Vertreter aus Kirche, Arbeitswelt, Medizin und Bildung während des Symposiums „Stille - Meditation - Gesundheit“ des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken.

Schlafende Menschen an Kirchenwänden: Aktionskünstlerin Juliane Stiegele während ihrer Performance in der Kleinen Kirche in Steinfurt.

Im Rahmen der Performance „Kleiner Schlaf, großer Schlaf“, projizierte Aktionskünstlerin Juliane Stiegele zahlreiche Schlafende in der Steinfurter Innenstadt.

Ursula Stockhausen verband gemeinsam mit Kirchenmusikerin Simone Schnaars an der Orgel und ihrem Ehemann Dieter Stockhausen Mystik und Musik.

Symposiumsteilnehmende während eines Workshops bei bestem Frühjahrswetter.

In unterschiedlichen Tonlagen, Lautstärke und Intensität erklang am vergangenen Wochenende ein Schrei nach Stille durch Steinfurt. Dagmar Spelsberg, Beauftragte für Spiritualität und Geistliches Leben des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfed-Borken (www.der-kirchenkreis.de), hatte gemeinsam mit den Evangelischen und Katholischen Kirchengemeinden in Burgsteinfurt vom 23. bis 25. März 2012 zum dreitägigen Symposium „Stille - Meditation - Gesundheit“ eingeladen. Rund 100 Interessierte folgten diesem Schrei von Freitag bis Sonntag, diskutierten Wege aus der belastenden Ruhelosigkeit und Hatz im Alltag. Mit annähernd 50 Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Workshops oder Kunstaktionen schuf Spelsberg einen Raum, um der „zunehmenden Sehnsucht nach Ruhe und Einkehr“ nachzugehen. Am Sonntagabend waren sich die Teilnehmenden einig. Noch lange halle der Schrei nach Stille in Burgsteinfurt nach und lade auch in Zukunft Menschen ein, Wege der Stille und der Einkehr aufzusuchen.

„Stille ist ein Zustand auf der roten Listen der gefährdeten Phänomene“, ist sich Hauptreferent Erwin Heller, Präsident des Vereins zur Verzögerung der Zeit, am Samstagnachmittag sicher. Seinen Vortrag überschreibt Heller ironisch mit einer „Werbeveranstaltung für Nichts“. Das „Nichts“ werde selten angeboten und den Preis dafür müsse jeder selbst ermessen, meint Heller. Dabei sei Ruhe nicht ausschließlich positiv besetzt. Das Schweigen, etwa zu Verbrechen und Gewalt, führe in eine Sackgasse. Die völlige Hingabe, so nennt es der Rechtsanwalt aus München – sei es für ein Hobby, eine Meditationstechnik oder der schläfrige Blick aus dem Zugabteil über Wälder und Wiesen – bedeute Entspannung und innere Freiheit. Dass es dieser Freiheit in einer immer schneller werdenden Zeit bedarf, darin sind sich die Symposiumsbesucher weitgehend einig. Mit dem dreitägigen Symposium führt Dagmar Spelsberg vom Evangelischen Kirchenkreis jetzt erstmals unterschiedliche Vorstellungen und Ideen zusammen, wie Menschen heute langsamer, bewusster und freier miteinander umgehen können.

„Für uns offenbarte dieses Wochenende, dass viele weitere Menschen dem Thema Ruhe und Einkehr nachgehen“, sagt Maria Schmidt-Nicklaus. Gemeinsam mit ihrem Mann besuchte die Nordwalderin das Stille-Symposium. „Wir haben hier das richtige Thema zur rechten Zeit gefunden“, ergänzt Ulrich Nicklaus. Die Vernetzung von Ruhe-Anbietern in der Region sowie eine praktische Auseinandersetzung mit dem wohltuenden Schweigen habe das Ehepaar nach Burgsteinfurt geführt. Erstmals bringt das Symposium unterschiedlichste Stille-Akteure im Westmünsterland zusammen und dient auf diese Weise auch als Forum und Wegweiser zu einem Mehr an Entspannung. So beteiligten sich über die Kirchengemeinden und den Kirchenkreis hinaus das KulturForumSteinfurt, die Steinfurt-Touristik e.V. oder die AOK an dem Programm. Gemeinsam arbeiten sie an einem Bündnis zur Entschleunigung und Achtsamkeit in der Region. „Wir erhoffen uns damit ein deutliches Zeichen gegen die Tendenz zur Verzweckung und Rationalisierung aller Lebensbereiche“, meint Pfarrerin Spelsberg.

„Die Entschleunigung ist eine Kernbotschaft des Christentums“, findet auch Joachim Anicker. Unter dem Titel „Alles immer schneller oder was“ diskutiert der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises gemeinsam mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Bildung und Medizin über Auswege aus dem „Hamsterrad“. Neben dem leitenden Theologen des Kirchenkreises haben der Gewerkschaftler Harald Lude aus Emsdetten, Dr. Barbara Herrmann vom KulturForumSteinfurt, Schulrätin Barbara Becker, Jurist Erwin Heller, der Altenberger Facharzt Dr. Andreas Reimers sowie Annette Jandaurek von der AOK Platz genommen. Anicker schlägt der Runde vor, konkrete Freiräume in Arbeit und Alltag wieder zu entdecken. So müssten auch Theologen und Seelsorger innerhalb der verfassten Kirche erneut umgehen lernen mit Zeit und persönlichen Kräften. Schon im Vorfeld hatten am Sonntagmorgen Diskutanten auf zwei weiteren Podien, darunter Pfarrer Kurt Danter vom Loccumer Arbeitskreis für Meditation, über Wege zu mehr Ruhe und Langsamkeit debattiert. In drei Dutzend Workshops und Fortbildungsangeboten, vom Zen-Sitzen über praktische Achtsamkeitsübungen bis zum christlichen Herzensgebet, hatten sich die Teilnehmenden am Samstag auseinandergesetzt mit Methoden und Instrumenten zum Stillwerden.

Einen ganz anderen Weg zu Stille und Einkehr beschreiben die künstlerischen Angebote des Symposiums. Konzerte, meditative Andachten und eine Lichtinstallation der Augsburger Künstlerin Juliane Stiegele spüren dem Schrei nach Ruhe nach. Die Aktionskünstlerin projiziert in der Kleinen Kirche Bilder und Fotografien von 52 schlafenden Menschen an die Kirchenwände. Die Motive haben die Augsburgerin aus Deutschland, Finnland, Kanada oder Taiwan erreicht. Am Ende zeigt sich Initiatorin Spelsberg äußerst zufrieden mit dem Verlauf des Symposiums. Erst die eigene innere, meditative Ruhe habe es ihr ermöglicht, ein solches Programm mit Hilfe zahlreicher Ehrenamtlicher auf die Beine zu stellen. Schon im nächsten Jahr, so Spelsberg, erklinge der Schrei nach Stille erneut in Burgsteinfurt. Dann plant die kreiskirchliche Beauftragte für Spiritualität und Geistliches Leben eine Neuauflage des Symposiums. „Wir wollen im Kirchenkreis weiter arbeiten an diesem Thema und die Menschen dazu einladen“, so die Pfarrerin. Da sind sich auch Maria und Ulrich Schmidt-Nicklaus aus Nordwalde sicher: „Unbedingt kommen wir dann wieder nach Burgsteinfurt“.