Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

„Meine Spiritualität geht meinen Körper etwas an“

Interdisziplinärer Studientag hob Geist, Körper und Seele auf gemeinsame Ebenen

Teilnehmende des Studientags. Foto: R. Nix

Glaube, Spiritualität und Körper lassen sich zusammenbringen, denn sie zu trennen würde der Ganzheitlichkeit des Menschen nicht gerecht. Ein Studientag unter Leitung von Pfarrerin Dagmar Spelsberg-Sühling, Beauftragte für Spiritualität und geistliches Leben im Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken, stellte Spiritualität mit körperlicher und geistiger Gesundheit in einen Kontext.

„Wir alle kennen das Lied Die Gedanken sind frei“, sagte die Pfarrerin in einem Gespräch. „Wenn wir vom heutigen Stand der Forschung ausgehen, wissen wir, dass Gedanken etwas mit dem Körper zu tun haben.“ Können wir also wirklich denken, was wir wollen? Immerhin haben unsere Gedanken Einfluss auf das Befinden unseres menschlichen Körpers und auf unsere Mitmenschen. Auch der Glaube spielt nicht unwesentlich mit hinein.

Zwei Vorträge bildeten den ersten Teil des Studientages unter dem Titel „Embodiment – Meine Spiritualität geht meinen Körper etwas an“ im Evangelischen Gemeindezentrum Steinfurt-Borghorst. Embodiment bedeutet in der Wissenschaft allgemein die Analyse des Zusammenspiels von Körper, Psyche und Umwelt.
Professor Dr. Gerhard Marcel Martin lehrte von 1982 bis 2007 Praktische Theologie an der Marburger Universität und erweiterte seinen Horizont auf den Ebenen Spiritualität, Kirche, Kunst und Kultur bei Reisen in viele Länder. Der Professor beleuchtete das Jahresprogramm eines der renommiertesten Meditationszentren Deutschland, des Benediktushofes in Holzkirchen, Bayern. Hier gibt es nach westlichen und östlichen Traditionen vielfältige Möglichkeiten der Interaktion zwischen Körper, Seele und Geist. Dazu gehören unter anderem Techniken des Zen und Yoga, der Kontemplation und der Achtsamkeit. „Präsente Körperlichkeit erweitert die Wahrnehmung“, erläuterte Martin. Dabei gehe es nicht um Kontrolle, sondern um Wahrnehmung, was ein bedeutsamer Unterschied sei.
Der Referent verwies auch auf das Buch „Die Hinreise. Zur religiösen Erfahrung. Texte und Überlegungen“ aus dem Jahr 1973 von Dorothee Sölle (1929 – 2003), die zu den profiliertestes Theologinnen des 20. Jahrhunderts zählt.

Psychotherapeutin und Heilpraktikerin Brigitte Ladwig, erfahren in Tiefenpsychologie, widmete sich in ihrem Vortrag dem Thema „Krisenbewältigung mit dem Körper“. Sie berichtete, dass eine Intelligenz, die weder kognitiv verortet ist noch mit dem IQ gemessen werden kann, in jeder Zelle unseres Körpers wohnt. „Auf dieser Ebene haben wir Möglichkeiten, uns aus Krisen oder Traumata zu befreien“, betonte die Referentin. „All unsere Bestandteile auf körperlicher Ebene, unsere Zellen, unsere Organe, können Erfahrungen und Einprägungen speichern.“ Das „normale“ Gedächtnis kann sie nicht erinnern, sie sind aber existent und werden bei Bedarf abgerufen. Diese Einprägungen zeigen sich in bestimmten Situationen etwa durch Impulse, bestimmte Handlungen einzuleiten.

Der Nachmittag gehörte diversen Workshops wie etwa der Einführung in die „Alexandertechnik“, die sich mit dem Erkennen und Ändern von Gewohnheiten befasst. Hier wurde praktisch der Frage nachgegangen, wie der Mensch durch sanfte Berührungen und kleine Handlungsimpulse zu mehr Leichtigkeit, mehr Präsenz und mehr Offenheit gelangen kann. Die Teilnehmer:innen nahmen an diesem Tag zahlreiche Anregungen theoretischer und praktischer Natur mit nach Hause.

Text: R. Nix