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Engagement, Toleranz und mit offenen Augen durch die Welt gehen

Die erfolgreiche Veranstaltungsreihe „Kultur trifft Kirche“, befasste sich mit Glauben in der Welt von Heute

 

Die Talkrunde v. links mit Reidar Jensen, Mirjam Konrad, Axel Engels und Frank Nienhaus in der farbig illuminierten Martin-Luther-Kirche Emsdetten. Foto: Nix

Gibt es einen „zeitgemäßen“ Glauben, dessen Inhalte sich mit den politischen und gesellschaftlichen Strömungen unserer Zeit vereinbaren lassen? Ist das Leben mit Werten wie Liebe, Respekt oder Fürsorge ohne eine Verankerung in der Religion überhaupt denkbar?

Drei engagierte Christen konzipierten 2022 in der Martin-Luther-Kirche Emsdetten eine Talkrunde unter dem Titel „Kultur trifft Kirche“. Die Veranstaltungen waren dermaßen erfolgreich, dass sie jetzt weitergeführt werden. Der Singer-Songwriter Reidar Jensen, gebürtiger Norweger mit der Wahlheimat Emsdetten, konnte sich schon vor längerer Zeit nach vielen Jahren internationalen IT-Managements aus seinem „Hamsterrad“ befreien. Von da an widmete er sich ganz seinen poetisch-lyrischen Liedern. Der Journalist und Musiker Axel Engels agiert als Moderator, Pfarrer Rainer Schröder vom Pfarrteam der Evangelischen Kirchengemeinde Emsdetten ist der Dritte im Bunde der Initiatoren.

„Take A Look Around You“, das Lied, das Jensen bereits in der ersten Staffel sang, war auch diesmal Ausgangspunkt. Es ist ein Aufruf, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und über negative wie auch positive Erfahrungen nachzudenken. Auch seine neuste Komposition, das Lied „Holy Bread“ – Heiliges Brot – spielte an diesem Abend als Denkanstoß eine Rolle. „Das Heilige Brot in deiner Hand, erzählt von der Sehnsucht nach Liebe und Frieden“, heißt es da an einer Stelle.

Talk-Gäste waren Mirjam Konrad, Pfarrerin in Münster und realistisch in ihren Zielen. Sie wuchs in einem Pfarrhaushalt auf, Gottes Wort ist für sie unverhandelbar. Der Talk-Partner, Diplom-Theologe Frank Nienhaus, ist Emsdettener und mehr als 25 Jahre im Bistum Münster aktiv. Seit einem viertel Jahrhundert leitet Nienhaus die Bildungseinrichtung „Gertrudenstift“ in Rheine. Sein großes Vorbild noch aus Jugendzeiten ist Franz von Assisi. Auch die Begeisterung für Jesus ist ihm bis heute geblieben.
„Zurzeit besteht die Welt überall aus zahlreichen Krisenvisionen, viel Sicherheit scheint für die Menschen weggebrochen“, sagt die Pfarrerin. „Man besinnt sich, dass es mal etwas gab, das ganz wertvoll ist.“ Letztlich ist Glaube, auch wenn er heute gern als Privatsache deklariert wird, eine ganz zwischenmenschliche Angelegenheit. „Ohne Gemeinschaft ist es schwierig, Glauben zu leben, auszudrücken und weiterzuentwickeln.“ Der Leiter des Gertrudenstiftes denkt, dass es für viele Menschen leichter ist, menschliche Werte zu leben, wenn Gott sie verkörpert. Jedoch hat er ebenfalls viele Menschen getroffen, die das Humanitäre auch sehr überzeugt ohne Gott lebten. „Menschen, die zu uns kommen, sind zu einem Drittel eher kirchenfern, dann gibt es rund 10 Prozent, die einen Gott gar nicht denken können.“ Viele Menschen suchten eine eigene Beziehung zu Gott und können mit den vorformulierten Floskeln der Religionen nichts anfangen. „Menschen, die unsere Bildungseinrichtung aufsuchen, sehnen sich nach anderen, die sie verstehen.“ Ist der Christ von morgen vielleicht ein Mystiker mit ganz eigenen Erfahrungen und Vorstellungen?

„Braucht man den Glauben, um ein guter Mensch zu sein?“, fragte Jensen und betonte, dass müsse jeder für sich entscheiden. Zum Glauben gehörten Wissen, aber auch Zweifel. Man müsse das Recht haben zu Zweifeln, allerdings ohne dabei zu verzweifeln. Nienhaus hob hervor, praktizierter Glaube habe auf jeden Fall auch etwas mit Eigenverantwortung zu tun. Nicht immer sollten die hauptamtlichen Kirchenvertreter im Zentrum stehen. In Zukunft seien es die Ehrenamtlichen, die Laien, die sich in der Kirche für den Glauben engagierten, meinte Nienhaus. „Kirche ist heute kein Massenphänomen mehr“, sagte er. Etwas zu bewegen sei „Knochenarbeit“, die von kleinen Gruppen geleistet werde. Problematisch sieht der Leiter des Bildungszentrums auch, dass Kirche seiner Ansicht nach mit dem „gesellschaftlichen Elitesystem“ verwoben ist. Dadurch sei es schwierig, zum Beispiel in Sachen Klimaschutz von klerikaler Seite etwas zu verändern.

Als eine Art Fazit formulierte Pfarrerin Konrad: „Es ist wichtig, sein Gegenüber als Geschenk Gottes zu betrachten und die Überzeugung „Gott hat dich gut gemacht“ zu verinnerlichen. Letztlich hänge viel am Einzelnen. „Wir müssen begeistern, nicht verpflichten“, sagte Diplom-Theologe Nienhaus. Toleranz hob Jensen als wichtigen Faktor hervor. „Wir müssen akzeptieren, dass Menschen verschiedene Vorstellungen haben.“

Text: R. Nix