Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken Pressemitteilung

„Absolut furchtlos, grenzenlos glücklich, immer in Schwierigkeiten“

Professorin Renate Wind über die Theologin und Dichterin Dorothee Sölle

Renate Wind

Anlässlich der Jubiläumsveranstaltungen rund um den 90. Geburtstag Dorothee Sölles besuchte Professorin Renate Wind am Donnerstag die Evangelische Kirchengemeinde Ahaus, um einen tiefen Blick in die Texte und das Leben der 2003 verstorbenen Theologin und Dichterin zu werfen.

„Ich war angeblich vor 10 Jahren schon mal hier“, stellte die Referentin unter dem Lachen der rund 40 Zuhörerinnen und Zuhörer im Dorothee-Sölle-Haus fest. Um die Anwesenden nicht mit dem gleichen Vortrag wie damals zu langweilen, strickte sie kurzerhand ihr Programm um. Es folgten Textabschnitte aus verschiedenen Büchern, die Wind über die „streitbare Zeitgenossin“ geschrieben hat, unterbrochen durch einige Gospelstücke vom Band.

Wind, Pfarrerin und Professorin für Biblische Theologie und Kirchengeschichte, kannte Sölle persönlich und beschrieb sie als „absolut furchtlos, grenzenlos glücklich, immer in Schwierigkeiten“. Ihr Charakter war geprägt durch Gegensätze: Sie war mutig und ängstlich, charismatisch und militant, sie berührte und verärgerte Menschen gleichermaßen. „Sie war eine sehr fromme Frau, die sich im Glauben geerdet fühlte“, betonte Wind.
 
Aufgewachsen im Kölner Bildungsbürgertum, fühlt Sölle sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Opfer, nicht als Täterin. Erst durch ihre Lehrerin Marie Veith gelang ihr der Perspektivwechsel, und der Stolz auf ihr Heimatland wich der Scham. Sie empfand fortan eine starke Heimatlosigkeit. „Sie studierte Theologie, um die Wahrheit herauszubekommen“ beschreibt Wind die Motivation der jungen Frau, immer begleitet von der Frage „Wie kann man Gott denken, suchen und lieben – nach Ausschwitz?“

Als theologische Schriftstellerin und Rednerin war Sölle weltweit bekannt. Ihr Werk umfasst 38 Bücher und Gedichtbände über religiöse und politische Themen. Eine Anerkennung im Universitätsbetrieb blieb ihr weitgehend versagt. Sie engagierte sich in der Friedens-, Frauen- und Umweltbewegung und gehörte, auch durch ihre radikalen Ansätze, zu den bekanntesten und umstrittensten Frauen in der politischen und kirchlichen Szene der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Ein Zuhörer erinnerte sich an Sölles Auftritt 1997, als sie anlässlich des Castortransports eine Rede in der Ahauser St.-Marien-Kirche vor rund 400 Menschen hielt. Dabei löste sie eine heftige Debatte aus, als sie den Befürwortern der Atomenergie das Christsein absprach. „Ja, radikal war sie immer“ entgegnete Wind lächelnd. Doch ihr bleibender Verdienst ist eine politische Theologie, die Unrecht furchtlos beim Namen nennt, sich für Gerechtigkeit einsetzt und immer zuerst Partei für die Schwachen ergreift.