Humorvoll und doch ernst gemeint lieferten sich Dagmar Spelsberg-Sühling und Dr. Esther Sühling ein Duell der Argumente und Standpunkte, in die sich die Besucher*innen im Dorothee-Sölle-Haus in Ahaus einmischen konnte. „Mit Himmel und Erde – Glaubensweisheit trifft Psychotherapie. Das Kreuz mit dem Glauben“ hatten sie diesen Abend überschrieben, an dem Hausherr Pfarrer Olaf Goos ebenfalls teilnahm.
Sühling ist Ärztin für Psychotherapie. Dagmar Spelsberg-Sühling ist Pfarrerin und im Ev. Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken die Fachfrau für Spiritualität und geistliches Leben. Mit dem Überstreifen ihrer Berufskleidung markierten die beiden Frauen auch ihre fachlichen Standorte.
„Wenn richtig geglaubt wird, braucht man nicht so viel Psychotherapie“, eröffnete Spelsberg-Sühling das Streitgespräch. „Die Leute haben Angst, durch Pfarrer oder durch die Kirche eingeengt zu werden oder zu viele Vorschriften zu erhalten“, entgegnete Sühling. Sigmund Freud habe vor über 100 Jahren den Glauben als überflüssig abgelehnt. „Der Glaube kann hilfreich sein, hat die Psychotherapie heute festgestellt. Im Glauben des Calvinismus in den Niederlanden wird vermittelt, dass man selbst dran schuld sei, wenn es einem nicht gut geht“, ergänzte Sühling. Allerdings vermittele die christliche Kirche, dass man nur richtig lebe, wenn man keinen Spaß am Sex habe und wenn man nicht homosexuell sei. „Was glauben denn die Christen?“, fragte Sühling die Pfarrerin.
Spelsberg-Sühling verwies als Antwort auf die zehn Gebote. Der Glaube sei etwas, was uns aufwecken soll, so Spelsberg-Sühling. „Es geht um Aufbruch und um Freiheit durch den Glauben. Es geht um das, was guttut und um das, was frei macht. Nicht nach hinten schauen, was war, sondern nach vorn schauen“, ergänzte die Pfarrerin.
Und mit der Frage, was heilsam und was krank mache, wandten sich die Referentinnen an die Besucher*innen. „Heilsam ist es, wenn man in Bewegung bleibt. Starre mache krank“, antwortete eine Besucherin. „Krankmachend ist aufgezwungener und belehrender Glaube. Vielfältigkeit ist heilsam“, antwortete eine andere Besucherin. „Glaube ermutigt mich, ethisch zu handeln. Das ist heilsam. Es gibt auch Glauben, der krank macht und der einengt“, ergänzte Goos.
Auch in diesem Punkt waren sich die Referentinnen mit den Besucher*innen einig. Allerdings gebe es auch Dinge, die heilsam seien für bestimmte Menschen. „Das Beten des Rosenkranzes kann bei Krebspatienten eine heilsame Wirkung haben“, berichtete Sühling aus ihrem beruflichen Umfeld. Jeder könne seine persönliche Gotteserfahrung machen. „Bietet Kirche noch den Raum für persönliche Gotteserfahrungen?“, fragte ein Besucher kritisch. Eine griffige Antwort hatten die Referentinnen darauf nicht. Regeln müssten auch im Glauben sein, das gebe eine gewisse Struktur, die trotzdem mit Leben gefüllt werden könne. Darüber herrschte Einigkeit.
Elvira Meisel-Kemper