Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken Pressemitteilung

„Noch ist es nicht zu spät“

Bis zu 2000 Teilnehmer:innen demonstrierten in Burgsteinfurt gegen Rechts

Geschätzte 2000 Menschen versammelten sich auf dem Historischen Marktplatz in Burgsteinfurt zur Demo gegen Rechts. Foto: R. Nix

Ein Gespenst geht in Deutschland um. Betagteren Menschen ist es aus einer finsteren Zeit wohlbekannt. Es hat viele Namen. „Menschenverachtung“, „Hass“, "Ausgrenzung“ und „Vertreibung“ sind nur einige davon. Glücklicherweise gibt es sehr viele aufrechte Zeitgenossen, die gegen rechtsradikale Tendenzen auf die Straße gehen. In mehreren Städten des Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken demonstrierten am Samstag, 27. Januar, Tausende gegen demokratiefeindliche Strömungen.

In Burgsteinfurt versammelten sich bis zu 2000 Menschen auf dem Historischen Marktplatz und zeigten Flagge gegen „Rechts“. Auf selbstgestalteten Schildern waren Statements wie „Gemeinsam gegen Rassismus“, „Hass ist keine Lösung“ oder „Nie wieder Faschismus“ zu lesen.
Aufgerufen zur Demonstration hatten sämtliche Ratsfraktionen der Stadt Steinfurt, die zum Teil zwar unterschiedliche Meinungen vertreten, sich jedoch in einem Punkt völlig einig sind: „Zur Demokratie gibt es keine Alternative.“ Impulsvorträge beleuchteten die gegenwärtige Situation. Auch Susanne Falcke, Superintendentin des Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, Guido Meyer-Wirsching, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Burgsteinfurt, sowie Dr. Ludger Kaulig, Kreisdechant und leitender Pfarrer von St. Nikomedes, betraten die Rednerbühne.

Seit 2005 ist der 27. Januar internationaler Holocaust-Gedenktag. „Dieser Tag erinnert uns an die Grausamkeit der Tötung von Millionen Jüdinnen und  Juden im Nationalsozialismus und auch an unsere Verpflichtung, die daraus erwächst“, hieß es in den Vorträgen der Kirchenvertreter. „Nie wieder darf es dazu kommen, dass Menschen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihrer besonderen Lebensweise ausgegrenzt, weggewünscht werden oder sogar ihr Leben bedroht wird.“ Es beginne mit Angst, Misstrauen und Hass. Vielleicht sei die Wurzel Vereinzelung oder Verunsicherung. „Heute stärken wir einander, zeigen, dass wir nicht allein sind. Wir sind viele! Heute wollen wir ermutigen: Wir sollen gut voneinander denken, einander vertrauen, keine Spaltungen zulassen.“

„Wir können nie wieder behaupten, dass wir nicht wissen, wohin uns rechtes Denken, völkisches Denken, die Einteilung in Rassen, die Ausgrenzung uns am Ende bringen wird“, so Meyer-Wirsching. „Es ist schlimm genug, dass wir in unserer Gesellschaft diesen brauen Sumpf wieder ertragen müssen, dass Menschen jüdischen Glaubens nicht mehr in die Schule gehen, sich angegriffen wissen.“ Schlimm sei ebenso, wenn sich Menschen überhaupt ihrer Freiheit nicht mehr sicher seien, weil im Grunde von Vertreibung und Deportation auch in Kreisen der AfD die Rede ist.

„Liebe Mitstreiter für Demokratie, für Wertschätzung und Gleichberechtigung“, begrüßte die Moderatorin Dr. Barbara Herrmann, Direktorin des Kultur Forums Steinfurt, die Demonstrationsteilnehmer:innen und formulierte damit bereits, worum es eigentlich ging. „Lasst uns gemeinsam unsere Demokratie retten, noch ist es nicht zu spät“, appellierte Steinfurts Bürgermeisterin Claudia Bögel-Hoyer. Vertreter von Vereinen, Verbänden, Verwaltung und Politik traten vor das Mikrofon, musikalisch bereicherte Jonas Timmerhues die Veranstaltung. Michael Siefke, Presbyter in der Evangelischen Kirchengemeinde Borghorst, besuchte mit seiner Frau und Bekannten die Veranstaltung. „Das man in einem Alter von 70 Jahren auf die Straße gehen muss, um gegen Rechts zu demonstrieren, ist ganz schlimm“, betonte Siefke. „Es ist ein Zeichen für die Politik, dass sich etwas ändern muss.“

Bevor Pfarrer Meyer Wirsching und Dechant Kaulig den Schlusssegen erteilten, ergriff Dr. Volker Leiß, Arzt und in der Region bekannter Musiker, das Wort: „Ich bin besorgt, dass eine Partei Wahlen gewinnen könnte, die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung umbauen will zu einem totalitären, völkischen System, in welchem dann rasch die freie Presse abgeschafft wird, politische Gegner als Terroristen oder Ungeziefer bezeichnet und ohne gerechtes Verfahren verhaftet werden und die Gewaltenteilung untergraben werden wird. Will man diese Gefahr denn wirklich nicht sehen?“

Text: R. Nix