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„Wir möchten eine Art Tankstelle sein"

Der Spiritpoint im Dietrich-Bonhoeffer-Haus sucht Ehrenamtliche für die „Ansprech-Bar“

Sandra Wildgrube-Dieckmann bietet am Bonhoeffer-Haus alternative Gottesdienstformate an. Foto: K. Wiegel

Seit Sandra Wildgrube-Dieckmann vor fünf Jahren im Dietrich- Bonhoeffer-Haus Bocholt als Kinder- und Jugendreferentin angefangen hat, hat sie viele neue Ideen und Formate auf den Weg gebracht. Innovative Ansätze, um insbesondere Familien niederschwellig zu begegnen und „dort abzuholen, wo sie gerade stehen“. Viele ihrer Angebote sind dabei offen für alle, unabhängig vom eigenen Glauben – eine Möglichkeit der Begegnung mit dem Ziel, das Bonhoeffer-Haus zu einem Zentrum im Quartier zu machen.

Unterstützung bekommt sie dabei vom Jobcenter der Stadt Bocholt, der Quartiersentwicklung und der Freiwilligenagentur. „Das sind wertvolle Kontakte“, sagt Sandra Wildgrube-Dieckmann, die inzwischen auch als Gemeindepädagogin zertifiziert ist und gerade berufsbegleitend ein Studium zur Diakonin abgeschlossen hat.

Letztes Jahr war sie mit ihrer Bewerbung beim Innovationsfonds TeamGeist der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) erfolgreich. Am 1. September 2022 startete ihre mit 32.000 Euro über drei Jahre geförderte Projektreihe „Spiritpoint für Familien – offen.herzlich.lebendig“ in Kooperation mit ihren starken Partnern von Stadt und Kirche. Auf drei Säulen aufgebaut, reichen die Angebote von offen und unabhängig von der Konfession bis hin zu besonderen Gottesdienstformaten wie das im DBH bereits etablierte Konzept der „Kirche Kunterbunt“.

Impulse hat sich Sandra Wildgrube-Dieckmann im wahrsten Sinne des Wortes „auf der Straße“ geholt. Mit einem Bollerwagen ist sie damals durchs Viertel gezogen – vollgepackt mit Kaffeekanne und Caprisonne. „Es fehlt an Formaten für Familien mit Kindern im Grundschulalter, im Speziellen an gemeinsamen Aktivitäten und Erlebnissen“, hat sie beobachtet. Für jede ihrer drei Säulen des Projektes hat Sandra Wildgrube-Dieckmann Ideen zusammengestellt. Geplant sind Spielenachmittage, Kuchenback-Aktionen oder Kurse zum gesunden Essen und Kochen in Kooperation mit der Stadt Bocholt – alles konfessionsübergreifend und offen. In der zweiten Säule möchte sie Erste-Hilfe-Kurse anbieten, die hier und da biblische Geschichten wie die des barmherzigen Samariters einbinden oder auch Fahrten ins Vater-Kind-Zeltlager, die wie geschaffen sind für lebensnahe Gleichnisse in der freien Natur – vielleicht wie ein Hirte bei Stockbrot am Lagerfeuer? Die dritte Säule bilden schließlich neue Gottesdienstformate im einzigartigen Ambiente des gesamten Hauses.

„Alle, die hier herkommen, sind erst mal beeindruckt von unseren Räumlichkeiten“, sagt Sandra Wildgrube- Dieckmann, die sich persönlich ganz besonders im Cafébereich im Vorraum des Gemeindesaals wohl fühlt. Der soll Dreh- und Angelpunkt aller Aktivitäten und auch Bindeglied zwischen den verschiedenen Akteuren der evangelischen Kirchengemeinde Bocholt werden, die in diesem Jahr einige Veränderungen durchgemacht hat. Vor allem das „Bonne“, wie das Bonhoeffer-Haus unter „Insidern“ genannt wird, ist davon betroffen.

Das „Bonne“ als Gemeindehaus
Durch die Pensionierung von Seelsorger Andreas Eichler wird es hier keine regulären Gottesdienste mehr geben. Das Presbyterium aber verspricht: „Das Dietrich Bonhoeffer Haus bleibt als Gemeindehaus erhalten.“ Trotzdem keine leichte Situation für Sandra Wildgrube-Dieckmann. Doch pragmatisch und anpackend wie sie ist, möchte sie ihren Spirit Point deshalb nun mit noch mehr Power vorantreiben. „Auch hier könnten wir schon weiter sein“, zieht sie gut ein Jahr nach dem Projektstart ein Zwischenfazit. In einem solchen Innovationsprojekt laufe aber naturgemäß nicht immer alles nach Plan. Manche Ideen müssten überdacht, geändert und womöglich über Bord geworfen werden, „um unterwegs niemanden zu verlieren“. Auch die Umstrukturierungen und die damit verbundenen Unsicherheiten am Dietrich Bonhoeffer Haus habe eine Planung mitunter erschwert, so die Neu-Diakonin.

„Ansprech-Bar“
Klar vor Augen hat sie nun aber die Idee von ihrem offenen Gemeinde-Café, das zwei Mal pro Woche (mit der Option die Öffnungszeiten auszuweiten) – parallel zu den Öffnungszeiten der Gemeindebücherei – Menschen aller Generationen zusammenbringen soll. Wir möchten eine Art Tankstelle sein“, beschreibt Sandra Wildgrube-Dieckmann ihre Vision – oder auch wortspielerisch ausgedrückt eine „Ansprech-Bar’“. Ein Ort zum Kraft schöpfen, reden und sich fallen lassen. Dazu sucht sie Ehrenamtliche, die als Ansprechpartner vor Ort für die Gäste da sind, zuhören, beraten und vielleicht ein bisschen Trost spenden können. Voraussetzung sind ein offenes und tolerantes Wesen, Empathie und natürlich ein Interesse an anderen Menschen. Interessenten erreichen die Gemeindepädagogin telefonisch unter Tel. 02871-87009 oder per E-Mail an ki-ju@bonhoeffer-haus.de

„Veränderungen sind auch eine Chance“, betont Sandra Wildgrube- Dieckmann, die als Diakonin auch Gottesdienste leiten darf – auf ihre eigene und neue Art. Deshalb wird es auch innovative Gottesdienstformate wie „Kirche Kunterbunt“ oder die Mini-Kirche für Familien mit Kindern von null bis fünf Jahren jeden 1. Samstag im Monat um 10 Uhr weiter geben.

Neue Gottesdienstformate
Ganz neu gestartet sind auch die „Spirit Moments“ als eine moderne Form der Andacht. Als Austausch über spirituelle und Glaubensthemen, auf Augenhöhe und im direkten Dialog unterscheidet sich dieses Angebot klar von einem „klassischen Gottesdienst“. „Wir sind eine Ergänzung zu den in Bocholt schon angebotenen, tollen Gottesdiensten“, stellt Sandra Wildgrube-Dieckmann klar. Das Bonhoeffer-Haus erfindet sich als Gemeindehaus mit interessanten Zusatzangeboten neu – ein Zukunftsprojekt, das neugierig macht und zum Ausprobieren einlädt – „Glaubenstasting“, wie die Gemeindepädagogin und Diakonin es formulieren würde.

Text: K. Wiegel