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Westfalen zu Gast in Siebenbürgen

Die Evangelische Friedens-Kirchengemeinde Nottuln besucht Partnergemeinde in Rumänien.

Gemeinsam bauen evangelische Christen aus der Evangelischen Kirchengemeinde Nottuln und dem rumänischen Wolkendorf (Vulcan) an einer grenzübergreifenden Ökumene.

Die Teilnehmenden waren sich einig und ein Mitglied der Nottulner Gruppe fasste es zusammen: „Eine wunderbare Reise, die der Freundschaft gut getan hat.“ Die Freundschaft zwischen den Kirchengemeinden Nottuln und Wolkendorf im Burzenland im rumänischen Siebenbürgen existiert in loser Verbindung seit 2010. Nach einem ersten offiziellen Besuch des Nottulner Presbyteriums im vergangenen Jahr und einem Gegenbesuch einer größeren Gruppe aus Rumänien im März, reisten nun im September 23 Personen aus dem Münsterland nach Siebenbürgen.

„Kaum zu glauben“, stellte eine Teilnehmerin nach der Landung in Hermannstadt (Sibiu/Rumänien) fest, „dass wir uns hier auf Deutsch verständigen können.“ Wie problemlos dies lief, zeigte sich rasch praktisch, beim mehrtägigen Besuch in der Partnergemeinde Wolkendorf (Vulcan) in der Nähe von Kronstadt (Braşov). Hier stand in erster Linie die Begegnung mit der ansässigen Kirchengemeinde im Mittelpunkt, welche die Westfalen mit großer Gastfreundschaft und Herzlichkeit empfing. Sie zeigte sich auch eindrücklich an den von Gemeindemitgliedern aus Wolkendorf, Neustadt (Cristian) und Weidenbach (Ghimbav) reich gedeckten Tischen. Nach einem festlichen Mahl am letzten Abend in Neustadt wurde deutlich, dass man nicht nur in Sprache und Glauben, sondern auch im gemeinsamen Liedgut vereint ist.

Im gemeinsam gefeierten Gottesdienst wies Pfarrer Manfred Stübecke darauf hin, dass sich auch die evangelischen Gemeinden im katholischen Münsterland, wie die evangelischen Gemeinden im orthodoxen Rumänien, in der „Diaspora“ befänden. Das sei eine von immer mehr Gemeinsamkeiten, zeigte Pfarrerin Ingrid Stübecke in ihrem Part der Dialogpredigt auf. Der anschließende Kirchenkaffee diente nicht nur zum Lauschen der Burzenländer Blechblaskapelle, sondern die letzten gemeinsamen Stunden im Rahmen dieses Aufenthalts wurden genutzt, um Projekte vorzubereiten. Pfarrer Uwe Seidner aus Wolkendorf zog bei der Verabschiedung ein Resümee: „Wir freuen uns schon darauf, was wir bald in Zukunft mit unseren westfälischen Freunden auf die Beine stellen.“ Beispielsweise wurde schon eine Jugendbegegnung angedacht.

Nachdem man sich verabschiedet hatte, ging es unmittelbar in den zweiten Teil der Reise. War es zunächst das praktische Erleben einer funktionierenden deutschen Minderheit, wurde es mit den nun folgenden Informationstagen im Raum Hermannstadt theoretischer, aber ebenso spannend. Zunächst ging es über Katzendorf (Caţa bei Reps/Rupea) und es wurde Station beim Regisseur und Autor Frieder Schuller gemacht. Dort wurde an liebevoll gedeckten Tischen in einem paradiesischen ehemaligen Pfarrgarten gespeist. Anschließend unternahm man einen Spaziergang und die Gruppenmitglieder hatten den Blick von einem ehemaligen Friedhof der Siebenbürger Sachsen auf eine Roma-Siedlung. An den Gräbern einer gering gewordenen Population sah man auf die Ansiedlung einer wachsenden Bevölkerungsgruppe. 

Über Roma hörten die Reisenden später mehr bei einem Vortrag von Gheorghe Lefter, dem politischen Berater des Roma-Königs Dorin Cioaba. So erfuhren sie, dass über die richtige Bezeichnung keine eindeutige Klarheit bestünde, etliche Angehörige der Roma-Minderheit nützten stolz den, in Deutschland inzwischen als despektierlich eingestuften Begriff, „Zigeuner“.

Viele weitere Informationen gab es, so dass sich dieses für viele unbekannte Land immer mehr erschloss. Roger Pârvu und Manuel Stübecke, Mitarbeiter der Evangelischen Akademie Siebenbürgen (EAS), hatten Kontakte zu namhaften Persönlichkeiten aus Kirche, Politik und Kultur hergestellt, die ihr Land aus ihren Blickwinkeln darstellten und dabei auch die jeweiligen Probleme nicht verschwiegen.

Insbesondere ging es um die Geschichte der Siebenbürger Sachsen, die seit rund 850 Jahren in Rumänien leben und deren Anzahl durch die Freikaufpolitik der Bundesrepublik und nicht zuletzt durch die große Auswanderung seit 1990 nach dem Zusammenfall des nationalkommunistischen Regimes stark gesunken ist. Die Evangelische Kirche in Rumänien A.B. sei eine „Volkskirche auf dem Weg zur Diaspora-Kirche“, wie es der ehemalige Bischof Christoph Klein in seinen Publikationen feststellte, aus denen Manuel Stübecke, der 2010 den ersten Kontakt nach Wolkendorf aufbaute, bei einer Einführung zitierte. Eine Entwicklung, so Stübecke, auf die man sich wohl auch in Deutschland einstellen müsse und daher von Siebenbürgen lernen könne.

www.unter-dem-kreuz.de

Text: Manuel Stübecke