Gleich zu Beginn der Eröffnungsfeier der Veranstaltungsreihe zur „Christlichen Jüdischen Zusammenarbeit“ wandte sich Ochtrups Bürgermeisterin Christa Lenderich in der St. Dionysiuskirche in Welbergen mit Dank an das Publikum: „Mit Ihrem Kommen setzen Sie ein Zeichen für die gute Sache.“ Das diesjährige Motto, für das man die Superintendentin des Kirchenkreises Steinfurt- Coesfeld-Borken, Susanne Falcke, als Festrednerin gewinnen konnte, stehe unter dem Motto „Füreinander streiten“. Hiermit werden der interreligiöse Diskurs und das demokratische Miteinander als Bereicherung für das tägliche Leben aller Menschen hervorgehoben. Es weise aber auch bei unterschiedlichen inhaltlichen Positionen das Ringen um Lösungen aus, das die Standpunkte des jeweils anderen respektiere und Leid und Schmerz gerade in den vielen internationalen Konflikten und Kriegen im Auge habe. Wenn man diese auf lokaler Ebene zwar nicht beenden könne, aber versuchen müsse, die beteiligten Menschen erst einmal verstehen zu lernen.
Von einem derartigen hoch bewegenden Versuch berichtete Susanne Falcke, als sie von einem jüngst stattgefundenen Treffen von Verantwortlichen ihres Kirchenkreises mit Vertretern der jüdischen Gemeinde in Münster berichtete. Das Treffen wurde von beiden Seiten als wichtiges Zeichen von Verbundenheit und Solidarität gewertet in einem Land und in Zeiten wieder neu erstarkten Antisemitismus, der sich aus vielen Quellen speisenden Wut auf alles Jüdische und der steten Notwendigkeit zu streitbarem Dialog. Aber man stellte auch große Ratlosigkeit auf beiden Seiten fest, wie man diesen aufkeimenden Aggressionen konstruktiv begegnen könne und der Verantwortung aller Deutschen zum Gedenken an den schrecklichen Holocaust gerecht werden könne. Susanne Falcke plädierte in dieser schwierigen Gemengelage für Formen emotionalen Lernens in allen Altersstufen. Ebenfalls bemerkenswert war ihre Mahnung in Anlehnung an Dietrich Bonhoeffers Satz: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“. Heute müsse wieder für Jüdinnen und Juden geschrien werden, die weltweit unerträglichem Hass und Gewalt ausgesetzt sind. „Diese Anliegen und deren Umsetzung sind für mich der Lackmustest für den Grad der Offenheit, der Toleranz und der Vielfalt in unserem Lande, die zu erstreiten, aber eben auch zu schützen sind“, führte Susanne Falcke den Zuhörern in Bezug auf das Motto „Füreinander streiten“ vor Augen.
Streit als höchst anspruchsvolle Angelegenheit könne eskalieren, benötige aber offene, ehrliche und auch schonungslose Worte, um Positionen zu markieren und müsse in diesen schwierigen Zeiten notwendigerweise deutlicher werden, um zu bezeichnen, was uns wichtig und eben „heilig“ sei. „Dazu gehört zwingend der Glaube an die uneingeschränkte Würde eines jeden Menschen und die Kraft der Vielfalt und das gegenseitige Vertrauen“, betonte die Rednerin mit dem Verweis auf „Glaube, Hoffnung und Liebe“. Susanne Falcke brachte es auf folgende Formel: „Wir streiten und ringen miteinander für ein besseres Miteinander, weil wir nicht voneinander lassen können. Das zeichnet uns grundsätzlich als Menschen aus. Das ist eben auch „Not wendend“ mit Blick auf Klimawandel, Kriege und die Herausforderungen der Migration.“
Beeindruckend und anregend war die Feier ebenfalls durch die Beiträge des Kirchenchores St. Marien unter der Leitung von Thomas Lischik und der Solistin Sandra Lischik. Durchsichtig, klangschön und bewegend stellten die Sängerinnen und Sänger Werke von Martin Luther/Felix Mendelssohn-Bartholdy, der 1961 geborenen Andrey Snyder und neben dem „Deo Dynamos gratias“ (Anonymus“) auch thematisch passende Popsongs vor.
Text: M. Fahlbusch