Es wird Abend in unserer Lodge in Harare. Unsere 15-köpfige Reisegruppe unter der Leitung von Kerstin und Reinhold Hemker findet sich zum Essen zusammen – wie so oft unter freiem Himmel bei angenehm milden Temperaturen. Im südlichen Afrika wird es jetzt Herbst. Eine junge Simbabwerin ist heute Abend bei uns zu Gast. Sie übernimmt aus eigener Initiative das Tischgebet, betet innig und sehr persönlich mit klarer, vernehmlicher Stimme, ohne jede Scheu gegenüber der Reisegruppe, deren Teilnehmer für sie bis dato Fremde sind – und im Schnitt vierzig Jahre älter als sie.
Genauso selbstbewusst und zugewandt berichtet die 23-Jährige später von ihrer politischen Arbeit. Sie engagiert sich bei "WELEAD Trust“, einer Organisation, die sich für die Einbeziehung junger Menschen – insbesondere auch Frauen – in politische Prozesse stark macht und Programme zum Bespiel zu Verfassungsrecht, Bürgerbeteiligung, Demokratie und Wahlen anbietet. „I pray – I vote“ heißt eine ihrer Kampagnen, jetzt, im Wahljahr. Die junge Frau kritisiert offen die Misswirtschaft und die Korruption in ihrem Land. Sie beeindruckt uns mit ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit, junge Menschen in Simbabwe angesichts schwieriger Verhältnisse zur politischen Teilhabe zu bewegen. „Einige wollen gar nicht wählen gehen“, erklärt sie. „Sie haben resigniert und denken, dass das nichts bringt.“ Für sie aber ist klar: „Das wäre eine Form von Kapitulation.“
Die Menschen in der Kirche – auch in unserer Partnerkirche, der Ost-Diözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Simbabwe – sind weit entfernt von Kapitulation. Gerade wird in der Gemeinde von Mabvuku eifrig gebaut, ein neues Gebäude soll neben der Kirche entstehen. Hier feiern wir gemeinsam den Gottesdienst am Palmsonntag und ziehen, mit Palmwedeln und „Hosianna“ singend, die Straße auf und ab. Nicht weniger fröhlich feiern wir gemeinsam an einem Begegnungsabend mit der Kirchengemeinde von Mufakose am westlichen Stadtrand von Harare, wo uns der Vorsitzende des Partnerschaftskomitees, Pfarrer Viktor Maramwidze, herzlich empfängt.
Unsere Reisegruppe ist beeindruckt von dem Zusammenhalt der Generationen, von der Kraft des Glaubens, der die Menschen zusammenschweißt, von ihrer Herzlichkeit, dem Gesang und Tanz voller Lebensfreude. Selbst gewöhnt an eine Kirche, die vorwiegend lehrt und redet, bleiben wir hier einen Schritt hinter unserem eigenen Glaubensweg zurück. Oder ist man sich selbst im Singen und Tanzen vielmehr einen Schritt voraus? Hat darin nicht Platz, was man so nicht sagen, geschweige denn argumentieren könnte? Die Frömmigkeit unserer simbabwischen Glaubensgeschwister, so fremd sie uns in manchem ist, bedeutet jedenfalls keine Realitätsflucht. Sie offenbart sich vielmehr in weltzugewandtem, beherztem Engagement: „I pray – I vote“. Und diese Haltung begleitet uns auch bei den zahlreichen Begegnungen in sozialen und ökologischen Einrichtungen, die wir auf unserer Simbabwe-Rundreise besuchen.
So bietet uns die 17-tägige Studienfahrt nicht nur großartige Naturerlebnisse in diesem faszinierenden Land – etwa in den Nationalparks und bei den Victoria Falls –, sondern auch die besondere Chance, Kultur und Alltag der Simbabwer näher kennenzulernen, ihre Nöte und ihre unbesiegbaren Hoffnungen besser zu verstehen.
Seit 2013 besteht eine Partnerschaft zwischen dem Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken und der Ost-Diözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Simbabwe (ELCZ). In beiden Kirchen gibt es Partnerschaftskomitees, die den Kontakt pflegen und die Partnerschaft in die Gemeinden hineintragen. Sie bereiten gegenseitige Besuche und Austauschprogramme vor, entwickeln miteinander Gottesdienste und Projekte. Die Leiterin der zweiwöchigen Studienreise, Pfarrerin em. Kerstin Hemker, ist Mitglied im kreiskirchlichen Partnerschaftskomitee sowie in der Deutsch-Simbabwischen Gesellschaft e.V.
Text: Katrin Kuhn
Pray and vote
Gemeinsam mit Vertreterinnen der ELCZ zu Besuch im Zentrum für ökologische Agrarwirtschaft Fambidzanai. Foto: Katrin Kuhn