Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Podium diskutiert über das Hamsterrad

Vertreter aus Kirche, Arbeitswelt, Bildung und Medizin diskutieren in Burgsteinfurt Wege aus der Zeitnot und der Hatz.

„Alles immer schneller oder was?“ – Diese Frage diskutierten Vertreter aus Kirche, Arbeitswelt, Medizin und Bildung während des Symposiums „Stille - Meditation - Gesundheit“ des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken.

„Alles immer schneller oder was?“ – eine passende Frage für den allgemein stressigen, hetzigen und fast schon dauerzustandhaften Alltag. Dieser Frage ging eine Podiumsdis-kussion mit Vertretern aus Kirche, Arbeitswelt, Bildung und Medizin während des Sympo-siums „Stille - Meditation - Gesundheit“ nach. Harald Lude, langjähriger Gewerkschafts-sekretär aus Emsdetten, äußerte sich als erstes zum Thema „Ich und mein Hamsterrad“ während des dreitägigen Symposiums in Burgsteinfurt: Heutzutage sei eine gewaltige Leistungsverdichtung festzustellen. Zwischen Niedriglöhnen, zwei Jobs und Leih- und Zeitarbeit sei die psychische Beeinträchtigung nicht mehr von der Hand zu weisen. Weni-ger Geld, mehr Leistung – klar, dass das Hamsterrad durchdreht.

Das findet auch Erwin Heller, Präsident des Vereins zur Verzögerung der Zeit und einer der Hauptredner des kreiskirchlichen Symposiums in Steinfurt: Dass viele von einem Job nicht leben könnten, heißt für ihn, dass Zeit und Geld zusammenhingen. Man müsse die Dinge also selber in die Hand nehmen. Allerdings bedeute das nicht, egoistisch zu handeln – damit stelle man sich selbst ein Bein. Das Leben habe zwar mühsame Seiten, aber nur „dahinrackern“ sei auch keine Lösung. Heller betonte vor allem: „Sie stehen nicht im Stau, Sie sind der Stau!“ Also: Wer im Hamsterrad zappelt, der ist das Hamsterrad.

Barbara Becker, Schulrätin für den Kreis Steinfurt, kann das auch in den Schulen der Region feststellen: nicht nur durch die neuen Medien, auch durch die aktuelle Kompe-tenzvermittlung, den speziellen Förderbedarf und die Auflösung der Schulstrukturen wer-den Eltern und Schüler verunsichert und überfordert. Das sieht auch Dr. Barbara Herr-mann, Direktorin des Kulturforums Steinfurt so: Sie stellte fest, dass heute oft die Zeit fehle, sich zu entwickeln, und ebenso eine Zeit, sich zu entspannen. Die Angebote aus dem Entspannungsbereich ihres Kulturforums boomen zumindest. Das interpretierte sie als Ausgleich zur Arbeit.

Die passenden Zahlen und Fakten dazu lieferte Annette Jandau-rek von der AOK: Gerade die Anzahl der Burn-Outs sei in den vergangenen drei Jahren auf 8,2 Prozent gestiegen; überhaupt gebe es heute neun Mal so viele psychische Krank-heiten wie früher. Das unterstütze den „Teufelskreis Hamsterrad“ natürlich ungemein. Auch Dr. Andreas Reimers, Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut aus Altenberge, bestätigt diesen Trend: 30 Prozent der Bevölkerung leide an psychischen Erkrankungen. Auch in der Kirche gäbe es immer weniger Raum für persönliche Beziehungen, berichtet Joachim Anicker, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken. Man müsse mehr Unterstützungsangebote finden und diese auch anbieten, um den psychischen Druck zu nehmen. Wie das jüdische Volk einst aus der Sklaverei ausge-zogen war, müsse man sich heute vom Zeitdruck lösen und dem Strom der Freiheit fol-gen. Die christliche Kirche mit ihrer Kernbotschaft von Einkehr und Demut könne hier gute Impulse setzen.

Im Anschluss an die einstündige, rege Podiumsdiskussion bedankte sich Anicker bei der Organisatorin des Symposiums, Pfarrerin Dagmar Spelsberg, für das absolut lohnenswer-te Wochenende, bei dem man die Möglichkeit hatte, angstfrei ins Gespräch zu kommen. Diese freute sich sichtlich über die Standing Ovation und dass sie ihr „Herzensanliegen“ nach einjähriger Planung endlich in die Tat umsetzen konnte.

Text: Theresa Gerks