Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Neuer Blickwinkel auf das Judentum

Digitale Vorführung des Films „Masel Tov Cocktail“ war Grundlage für spannende Diskussionen

Im Anschluss an die Filmvorführung nahmen Regisseur Arkadij Khaet und Co-Autorin Merle Kirchhof an einer digitalen Diskussion mit dem Publikum teil (Foto: Elvira Meisel-Kemper).

Was bedeutet Antisemitismus heute konkret? Wie erleben Juden und Jüdinnen in Deutschland ihre Situation und wie gehen sie mit dem Antisemitismus um?

Das sind nur einige Fragen, die zum Teil einprägsam, mit Humor und leiser Ironie, aber einem hohen Erlebniswert in dem 30-minütigen Kurzfilm „Masel Tov Cocktail“ beantwortet werden. Dr. Esther Brünenberg-Bußwolder, Bildungsreferentin des Ev. Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, zeigte den Film in einer Online-Vorführung in Kooperation mit Dr. Kathrin Pieren, Leiterin des Jüdischen Museums Dorsten, und Jens Effkemann vom Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge Münster.

„Die ganzen Anfeindungen der letzten Wochen erfüllen mich mit Wut und Entsetzen“, so Pieren vor dem Start des preisgekrönten Films von Regisseur Arkadij Khaet (29), der als Baby und Sohn einer jüdischen Familie aus Moldawien nach Deutschland kam. Merle Kirchhoff (31) ist Co-Drehbuchautorin, Christin und Lebensgefährtin von Khaet. 

Der Film besteht nicht nur aus einer Handlung, sondern ist gespickt mit vielen Informationen zur Situation von Jüdinnen und Juden in Deutschland in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Da ist der jüdische Schüler Dima, hervorragend gespielt von Alexander Wertmann. Dima ist 16 Jahre alt, Sohn russischer Einwanderer*innen, befreundet mit der Christin Michelle und attackiert vom ebenfalls christlichen Mitschüler Tobi.  Als Tobi ihn provoziert, rastet Dima aus und bricht seinem Mitschüler die Nase. Dafür soll sich Dima entschuldigen, doch Tobi bleibt uneinsichtig.  Dima fragt sich, warum er nur Leute kennt „ohne Naziopas“. In einem Kaufhaus begegnet Dima einer Lehrerin, die es nicht wagt, das Wort „Jude“ in den Mund zu nehmen. Dagegen solle er seine „Opfergeschichte“ vor versammelter Klasse erzählen. „Nur welche Opfergeschichte?“ fragt sich der zweifelnde Dima. 

32 Mal fiel im Film das Wort Jude als Frage, als Feststellung und als Begriff.  „Dima ist ein durchschnittlicher jüdischer Teenager in Deutschland. Im Grunde ist er gescheitert mit der Frage, was einen Juden in Deutschland ausmacht“, so Khaet. „Juden werden als Opfer der Shoah gesehen“, ergänzte Khaet.

„Das ist ein Hauptkritikpunkt an der deutschen Erinnerungskultur. Statt an Gedenkveranstaltungen daran zu erinnern, sollte man diesen Film zeigen“, fügte Effkemann hinzu. „Das Ganze ist statisch geworden. Wir brauchen einen anderen Blick auf das Judentum“, äußerte sich Kirchhoff.

Symptomatisch dafür sei der Titel des Films. Maseltov bedeute „viel Glück“. Von der Sprengkraft eines „jüdischen Molotow-Cocktails“ werde ebenfalls gesprochen, so Khaet. „Daraus ergab sich dann der Filmtitel. Es war auch gar nicht so einfach, einen passenden Schauspieler zu finden für die Rolle des Dima. Er sollte im richtigen Alter sein, jüdisch, deutsch und russisch sprechen. Dann entdeckten wir den Schauspielschüler Alexander Wertmann, der alles das mitbrachte“, lobte Khaet den Dima-Darsteller. 

Elvira Meisel-Kemper