Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken Pressemitteilung

Mit Winterjacke und spanischem Akzent

Rebeca Guerra aus Nicaragua absolviert in der Evangelischen Jugendbildungsstätte Nordwalde ein Freiwilliges Soziales Jahr. Die 18-Jährige über ihren Aufenthalt im kalten Deutschland und ein Leben ohne Meer und Strand

Rebecca Guerra in der Jugendbildungsstätte in Nordwalde.

„Mein Vater hat mir früher immer von Deutschland erzählt“, erinnert sich Rebeca. „Er hat das Land auf seinen Arbeitsreisen kennengerlernt und war sehr angetan von den Menschen, ihrer Disziplin, ihrer Pünktlichkeit und von dem vielen Reichtum“. Annähernd 10.000 Kilometer trennen die 18-Jährige derzeit von ihrer Familie. Rebeca Alejandra Guerra Pasos kommt aus Managua. Aus der Hauptstadt des mittelamerikanischen Nicaraguas zog es die junge Frau im Frühjahr ins westliche Münsterland. In der Evangelischen Jugendbildungsstätte in Nordwalde absolviert die zierliche, junge Frau seit März ein Freiwilliges Soziales Jahr, kurz FSJ. Mit ihrem hüpfenden, fröhlichen spanischen Akzent begrüßt sie heute die Gäste in der Bildungseinrichtung des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, händigt Zimmerschlüssel aus und sieht nach dem Rechten in der 1952 eröffneten „Jubi“.

Rebeca Guerra im Podcast-Interview:

„Ich träume davon, in Deutschland später Biotechnologie zu studieren“, erzählt Rebeca. „Das hat auf den ersten Blick wenig zu tun mit Menschen“, räumt sie ein. „In der Pharmazie oder in der Biomedizin kann ich aber auch anderen helfen. Nichts anderes mache ich jetzt in der Jubi“, so die 18-Jährige weiter. Von einem Freund zuhause in Managua erfuhr die Schülerin vor einem Jahr von der Möglichkeit, freiwillig in Deutschland soziale Arbeit zu leisten. Dank eines Schüleraustauschs an der Deutschen Schule in Managua, die Rebeca bis zum bilingualen Abitur elf Jahre besuchte, kannte sie bereits Köln, Berlin und München. Der Schritt, für ein Jahr Sonne, Strand, Freunde und Familie zurück zu lassen, war dann nicht mehr so groß. Dennoch fremdelte die FSJlerin in den ersten Wochen mit ihrer zweiten Heimat: „Ich vermisse den Strand und die Wärme“, sagt Rebeca und blickt sehnsuchtsvoll aus dem Fenster. Erstmals in ihrem Leben kaufte sich die Mittelamerikanerin jetzt eine Winterjacke. Schnee kannte Rebeca bisher nur aus dem Fernsehen. Auch an das Essen in der Jugendbildungsstätte musste sich die junge Frau gewöhnen. Kartoffeln und Schnitzel anstelle von Bohnen oder Kochbananen.

„Meine Urgroßeltern flüchteten einst als Juden aus Europa“

In der Evangelischen Jugendbildungsstätte steht Rebeca Gästen, Referentinnen und Referenten und Kollegen mit Rat und Tat zur Seite. In dem Bildungshaus sorgt sie für ein heimeliges Ambiente, richtet Gruppen- und Seminarräume her und unterstützt die pädagogischen Fachkräfte. Mit ihrem breiten Lächeln, interessiert, aufgeschlossen begegnet sie Schulklassen, Kirchengruppen oder Menschen mit Behinderung. In der evangelischen Einrichtung mit ihrem Schwerpunkt einer inklusiven Bildungsarbeit sammelt Rebeca viele Eindrücke und Erfahrungen. „Die Arbeit hier von der Familienbildung über die Angebote für Menschen mit Behinderung bis zu unserem Erlebnis- und Sinnesparcour ermöglichen mir sehr viele Eindrücke“, meint Rebeca. Zudem beschäftigt sich die Katholikin mit Fragen nach Religiosität und Glauben. „Meine Urgroßeltern flüchteten einst als Juden aus Europa. Heute befasse ich mich hier mit den eigenen Glaubensfragen“. Jugendpfarrer Volker Rotthauwe ist froh über die engagierte, wissbegierige Verstärkung aus Nicaragua. „In diesem Jahr lernt nicht nur Rebeca eine neue Sichtweise, neue Menschen und Meinungen kennen“, ist sich der Leiter der Jugendbildungsstätte sicher. „Vielmehr erleben wir hier allesamt die Arbeit von Rebeca als Bereicherung“.

Keine Ruhe lässt Rebeca derweil der Blick über die Jubi hinaus. In Deutschland erlebt die begeisterte Fußballerin ein Land im Reichtum. „Natürlich sehe ich auch hier Menschen in Not“, meint Rebeca. „In Managua wohnen die Menschen aber in Hütten aus Pappkartons und Wellblech“. Mit ihren zwei Schwestern und Mutter Jeannine Pasos zählt Rebeca in Nicaragua dagegen zur Mittelschicht. Dafür ist sie dankbar. Ihre Eindrücke in Nordwalde erlebt Rebeca daher als enorme Bereicherung. „Natürlich werde ich zuhause von meinen Begegnungen und Erfahrungen berichten“, sagt sie. Bis dahin steht sie den Gästen der Jubi an der Rezeption noch ein halbes Jahr zur Seite. Und erlebt den ersten Schnee im Münsterland. 

www.jubi-nordwalde.de