Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Menschenrechte einfordern!

In Dülmen setzt der Evangelische Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken eine Vortragsreihe im Jahr der Politik fort – Flüchtlingspolitik ein wichtiges Thema für Kirche.

Prof. em. Dr. Wolf-Dieter Just in Dülmen (Foto: Elvira Meisel-Kemper).

Mit der Reihe "streitbar. Reformation und Politik" widmet sich der Evangelische Kirchenkreis 2014 dem "Jahr der Politik". Von August bis September bereichern drei Vortrags- und Diskussionsabende das Themenjahr. In Dülmen sprach jetzt 
Prof. em. Dr. Wolf-Dieter Just über das  Thema „Europa schottet sich ab. Flüchtlingspolitik heute“.

Der Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte klingt gut: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, zitiert ihn Wolf-Dieter Just zu Beginn seines Vortrags im Evangelischen Gemeindehaus in Dülmen. „Wer ihn einfordert, riskiert belächelt zu werden“, so Just, der am Aufbau der Kirchenasylpolitik der Evangelischen Kirche in Deutschland maßgeblich beteiligt war. Auch der Artikel 1 des Grundgesetzes werde nicht realisiert. Vor allem das Dublin-System, dass seit 2003 in Kraft sei, verurteilt Just. Danach könnten Flüchtlinge nur in dem Land Asyl beantragen, in dem sie nach der Flucht in Europa ankommen.

„Die Staaten an den Außengrenzen sind damit überfordert“, so Just. Rüde Abwehrmechanismen des EU-Grenzschutzes Frontex verletzten die Menschenrechte der Bootsflüchtlinge. Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des Europäischen Gerichts für Menschenrechte (EGMR) machten aber Hoffnung, dass sich dennoch etwas ändere, die die Hinfälligkeit des Dublin-Systems belegten. 
Just forderte Wahlfreiheit für Flüchtlinge, in welches Land sie gehen wollten. Damit könnte die Integration erleichtert und die Zusammenführung von Familien ermöglicht werden. „Das bedeutet auch eine Entlastung der Staaten an den Außengrenzen der EU. Staaten, die überproportional Flüchtlinge aufnehmen, sollten finanziell entlastet werden“, fordert Just. In Europa stehe Deutschland nur an neunter Stelle der Staaten, welche die meisten Flüchtlinge aufnehmen.

Ebenso kritisiert Just, dass die Flüchtlinge zuerst als Kostenfaktor gesehen würden und nicht als Individuen, deren Leben zu schützen sei. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnete in einem Urteil vom 18. Juli 2012 das Asylbewerberleistungsgesetz aus dem Jahr 1993 als „menschenunwürdig“. Damit kritisierte das Gericht ganz offen die eingeschränkte gesundheitliche Versorgung, das Verteilen von Gutscheinen anstelle von Bargeld und die Residenzpflicht von Asylbewerbern. Auch dieses Urteil sah Just als Schritt zur Erfüllung des Artikel 1 der Erklärung der Menschenrechte. Schließlich sei jeder Flüchtling ein „Abbild Gottes“, so Just.

In der Diskussion mit dem Publikum räumte Just ein, dass jede Kommune einen anderen Umgang mit den Flüchtlingen praktiziere. Ihm lag das Thema der Kirchenasyle besonders am Herzen. Könnten Flüchtlinge sechs Monate lang sich im Kirchenasyl aufhalten, könnten sie in Deutschland bleiben, so Just. „Das Kirchenasyl ist immer Ultima Ratio. Sie finden eine sehr gute Beratung bei Netzwerken“, riet Just den fragenden Besuchern. Ebenso verurteilte er wie viele Besucher auch die Besiedlung der Zeltstadt in Duisburg mit Flüchtlingen als „menschenunwürdig“. 

Text: Elvira Meisel-Kemper