Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken Pressemitteilung

Katrin und Thomas Ring sind Ansprechpersonen für queersensible Seelsorge

"Kirche soll ein sicherer Ort für alle sein!"

Auf dem Foto sieht man das Pfarrerehepaar Katrin und Thomas Ring

v.l. Katrin und Thomas Ring. Foto: privat

Die Synode des Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken hat Katrin und Thomas Ring im Sommer zu Ansprechpersonen für queersensible Seelsorge berufen. Thomas Ring ist Gemeindepfarrer in Billerbeck, Katrin Ring ist als Pfarrerin für Vertretungsaufgaben im Kirchenkreis zuständig. Öffentlichkeitsreferentin Maleen Knorr hat mit den beiden über ihre neue Aufgabe gesprochen.

Katrin und Thomas, ihr seid die ersten, die diese Beauftragung im Kirchenkreis innehaben. Welche Menschen können sich an euch wenden? Für welche Anliegen seid ihr die richtigen Ansprechpersonen?


Katrin: Natürlich sind wir als Pfarrpersonen sowieso für alle da, die ein seelsorgliches Anliegen haben oder die den Kontakt zur Kirche suchen. Als Beauftragte für queersensible Seelsorge wollen wir natürlich ganz besonders ansprechbar sein für queere Menschen. Häufig haben sie in ihrem Leben mit Vorurteilen und Ausgrenzung zu tun. Auch Kirche ist nicht immer ein sicherer Ort für queere Menschen gewesen. Das soll sich ändern, und dafür wollen wir stehen. Wer sich an uns wendet, der soll sich sicher sein können: Hier darfst du sein, wie du bist, du bist willkommen und angenommen. Wir haben ein offenes Ohr, bei uns kannst du davon ausgehen, dass wir ohne Vorurteile und gendersensibel mit dir umgehen.

Thomas: Wer also queer ist und ein seelsorgliches Anliegen hat, kann sich bei uns melden. Wer Fragen zur Trauung gleichgeschlechtlicher Paare oder zu Regenbogenfamilien hat, ist bei uns richtig. Aber auch Familienangehörige, Freund:innen, Pfarrpersonen, die Fragen oder Anliegen rund um queere Themen haben, dürfen uns gerne ansprechen. Wir sind dann entweder selber für diese Menschen da oder vermitteln die nötigen Kontakte.

Werdet ihr auch spezielle Gottesdienste, Veranstaltungen oder besondere Aktionen anbieten?

Katrin: Wenn der Bedarf da ist, dann gerne! Das muss erst mal wachsen, das ist in unserem ländlichen Kirchenkreis jetzt ja eine neue Beauftragung. An den größeren Städten wie zum Beispiel Münster sieht man, dass da ganz viel möglich ist. Wer also in der eigenen Gemeinde einen queeren Gottesdienst planen möchte oder gemeindeübergreifend an Aktionen mitwirken mag, ist herzlich willkommen! Wir sind offen für neue Ideen und freuen uns auf gemeinsame Feiern und Aktionen. Zusammen lässt sich da bestimmt ganz viel umsetzen!

Thomas: Dafür ist es natürlich absolut wichtig, dieses Angebot auch bekannt zu machen. Es muss sich rumsprechen! Nur wenn viele Menschen darüber Bescheid wissen, können queere Gottesdienste und Veranstaltungen funktionieren. Also meine Bitte: sagt es weiter.

Die Kirche war lange Zeit für queere Menschen ein Ort der Ausgrenzung. Was muss passieren, um die evangelische Kirche für diese Menschen wieder zu öffnen bzw. sie anzusprechen?

Thomas: Ich glaube, Kirche muss daran arbeiten, dass sie als safe space, als sicherer Ort erlebt werden kann auch von Menschen, die nicht den alten Normen entsprechen. Da ist in der Vergangenheit viel Schlimmes passiert. Es wird bestimmt eine ganze Weile dauern, bis diese heftigen Wunden der Ausgrenzung und Verurteilung verheilen. Wir müssen als Kirche besonders sorgfältig sein mit unserer Sprache, mit unserer Haltung, damit wir glaubwürdig vermitteln: Gott liebt alle seine Kinder, und wir als Kirche tun das ebenso.

Katrin: Ein Anfang ist schon, wenn wir zum Beispiel in den Gemeindehäusern Toiletten für alle anbieten, anstatt nach Männern und Frauen zu trennen. Denn das schließt alle Inter- oder Transsexuellen aus. Oder wie wäre es, wenn am Fahnenmast der Kirchengemeinde die Regenbogenflagge hängt? Das wäre ein schönes Zeichen: Hier seid ihr willkommen, wir sind eine bunte Gemeinde. Im Gottesdienst und in kirchlichen Dokumenten ist auf inklusive Sprache zu achten – auch das passiert schon, kann aber noch deutlich ausgebaut werden. 
Das mögen erst mal kleine Schritte sein, aber sie sind wichtig, damit Gemeinschaft und Vertrauen wachsen kann.

Im kirchlichen Kontext passiert es, dass Menschen, die eine ablehnende Haltung gegenüber queeren Menschen haben, Bibelzitate heranziehen, die untermauern sollen, dass queeres Leben nicht gottgewollt ist. Wie bewertet ihr das aus theologischer Sicht?

Thomas: Die Bibel ist immer auslegungsbedürftig, da sie in ganz anderen Zeiten als der unsrigen entstanden ist und das über hunderte von Jahren und über diverse kulturelle Hintergründe hinweg. Aufgrund dieser Entstehungsgeschichte gibt es auch innerhalb der Bibel Aussagen, die nicht einfach glatt zusammenpassen, ja sich sogar widersprechen. Die Bibel ist Gottes Wort in menschlichen Worten. Und die menschlichen Worte sind immer zeitbedingt und müssen kontextuell verstanden werden. In jeder Sonntagspredigt tun wir das: Die alten Texte lesen, ihnen nachspüren und sie in die heutige Zeit übersetzen. Dabei ist es wichtig, nicht einzelne Sätze aus dem Zusammenhang herauszunehmen und sie dann als allgemeingültig hinzustellen. Das passiert gerade bei diesen Themen immer mal wieder. Aber diese Sätze und Aussagen müssen im Kontext des Textes gelesen werden und die Texte wiederum im Kontext ihrer Zeit und Entstehungsgeschichte. So kann aus einzelnen Steinchen ein stimmiges Mosaikbild biblischen Glaubens werden.

Katrin: Die gute Botschaft von Gottes Liebe zu den Menschen zieht sich dabei als roter Faden durch die Bibel. Und Jesu Zuwendung gerade zu den Menschen, die nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechen, ist meiner Meinung nach größer als einzelne Sätze, in denen aus der damaligen Zeit heraus gesellschaftliche Fragen beleuchtet werden. Zum Beispiel hat man damals auch Sklaven gehalten. Es gab die Todesstrafe für bestimmte Verbrechen. Auch davon erzählt die Bibel, zum Teil auch gutheißend. Müssen wir das heute deshalb auch tun? Nein. Wir müssen die Bibel auslegen, in die heutige Zeit übersetzen und dabei immer wieder darum ringen, ihre Grundbotschaft zu verstehen und deutlich zu machen. In der Theologie gibt es inzwischen viele Ansätze, wie die Bibel auch queer ausgelegt werden kann. So entstehen ganz neue, interessante Sichtweisen auf die altbekannten Texte. Da haben wir am Ende alle was von! 
Für viele, die nicht mit der Selbstverständlichkeit queeren Lebens aufgewachsen sind, mag das fremd und ungewohnt sein. Auch für diese Fragen wollen wir als Beauftragte für queersensible Seelsorge offen sein. Wichtig ist, in einen Dialog zu kommen und einander kennen zu lernen. Darin liegt eine Chance für ein neues, tolerantes Miteinander in der Kirche. Darauf sind wir gespannt, darauf freuen wir uns.