Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

„In den Riss hineinstellen“

Schulreferent Dr. Thorsten Jacobi veröffentlicht Buch über Wilhelm Philipps den Jüngeren

Thorsten Jacobi

Im Dezember 2021 erscheint das Buch „In den Riss hineinstellen – Wilhelm Philipps der Jüngere (1891-1982) - Dokumente aus seinem Leben für Kirche und Diakonie von der Kaiserzeit bis in die Zeit des geteilten Deutschlands“ im Luther-Verlag. Autor Dr. Thorsten Jacobi ist Pfarrer und als Schulreferent in den Ev. Kirchenkreisen Tecklenburg und Steinfurt-Coesfeld-Borken tätig.

Öffentlichkeitsreferentin Christine Fernkorn (Kirchenkreis Tecklenburg) interviewte ihn zu seinem Buchprojekt.

Wie kam es dazu, dass Sie die Recherche zu diesem Buch aufnahmen?

Mein Buch ist das Ergebnis eines dritten Anlaufs. Nachdem Wilhelm Philipps selbst und Jahre später sein jüngster Sohn Gerhard, mein Schwiegervater, nicht vorangekommen waren, habe ich den ersten Lockdown genutzt, bereits 40 % des Manuskripts fertigzustellen. Ich hatte mit meinem Schwiegervater bis zu dessen Tod 2013 immer wieder über das Buchprojekt gesprochen und war deshalb über sein Vorhaben im Bilde. Als meine Präsenztermine im März 2020 wegbrachen und „Zoom“ in unserer Kirche noch ein rein fotografischer Begriff war, fiel mir ein, dass sich der Nachlass von Wilhelm Philipps in Kopie in einer Umzugskiste bei mir daheim befand. Da die Unibibliothek Münster geschlossen war, griff ich zunächst auf die in meiner Pfarrbibliothek vorhandenen Titel zurück und fing an zu schreiben.

Wilhelm Philipps bekleidete zwischen 1926 und 1966 verschiedene Leitungsämter in Diakonie und Kirche. Im Klappentext heißt es, dass die biografische Dokumentation seines Nachlasses einen ebenso tiefen wie authentischen Einblick in das ermöglicht, was für sein Handeln leitend war. Was machte ihn in seinem Leitungshandeln aus?
Wilhelm Philipps übernahm verschiedene Ämter in sehr schwierigen Zeiten: 1932 wurde er Vorsteher des Ev. Johannesstiftes in Spandau, 1939 ranghöchster Theologe im Konsistorium der westfälischen Provinzialkirche und 1956 Generaldirektor der Inneren Mission im Berlin des Kalten Krieges. Wer sich sein Leitungshandeln vergegenwärtigt, wird sehen, dass es Wilhelm Philipps in erster Linie darum ging, die Kirche und ihre Arbeitsfelder handlungsfähig zu halten. Dies lehrte ihn die Innere Mission: Eine Kirche, die ihre Liebestätigkeit, wie er es nannte, nicht ausübt, verrät ihren Auftrag und schadet den Menschen. Dabei war es für Philipps einerlei, ob die Kirche sich selbst im Weg zu stehen drohte oder ob ihr die Erfüllung ihres diako¬nischen Auftrags von außen erschwert wurde. Kirchliches Leitungshandeln war bei Wilhelm Philipps überdies gegründet in einer starken Glaubensgewissheit und getragen von einer umfassenden theologischen Bildung. Schließlich war sein Handeln geleitet von der Absicht, die bestehende Einheit der Dienste zu bewahren oder eine gestörte Einheit möglichst wiederherzustellen. So richtete Philipps sein Leitungshandeln danach aus, Spaltungen zu vermeiden und sich dort „in den Riss hineinzu¬stellen“, wo Gräben und Brüche kirchliches Handeln lähmten oder unterbanden.

Wie positionierte sich Wilhelm Philipps in der Nazizeit im Kontext seines Leitungsamtes gegenüber dem Regime?
Wilhelm Philipps begrüßte die Machtübergabe an die Nazis als Chance für die Kirche, weil er sich davon eine geistig-moralische Wende versprach. Aus heutiger Sicht eine unverständliche Erwartung, sie ist aber aus der Zeit heraus zu verstehen. 1933 trat Philipps der NSDAP bei und liebäugelte mit den Deutschen Christen. Doch die berüchtigte Sportpalastveranstaltung im November 1933 sowie die Eingliederung der ev. Jugend in die HJ öffneten ihm die Augen. Wie lange er loyal zum nationalsozialistischen Regime stand, weiß ich nicht. Kirchenpolitisch fand er seit 1934 zur Bekennenden Kirche. Allerdings nahm er in ihr eine gemäßigte Position ein, um den Fortbestand seiner diakonischen Einrichtung nicht zu gefährden. Deutsch-völkische Haltungen hat er immer entschieden abgelehnt. In Westfalen suchte er sachlich berechtigte Interessen von BK und DC gleichermaßen zu berücksichtigen, was ihm nach 1945 zum Teil verübelt wurde.

Welche Lehren können Mitarbeitende und Leitende in Diakonie und Kirche heute aus der Lektüre dieses Buches ziehen?
Jeder ist immer auch das Kind seiner Zeit und läuft Gefahr, dass spätere Generationen das ein oder andere, das man gesagt und getan hat, für fragwürdig halten. Wer in Leitungsämtern Position bezieht, macht sich stets angreifbar. Die Position sollte aber auf jeden Fall theologisch gut begründbar sein und in Verantwortung für diejenigen vertreten werden, die einem in welcher Weise auch immer anvertraut sind.

Planen Sie weitere Veröffentlichungen?
Meine kirchenhistorischen Publikationen habe ich mir oft nicht selbst ausgesucht. So war die Geschichte der deutschsprachigen ev. Auslandsgemeinde in Antwerpen ein Auftragswerk zu deren 50jährigen Bestehen, mein Lutherbüchlein „Zwanglos leben“ ist mit Blick auf das Reformationsjubiläum verfasst worden. Mal sehen, was zukünftig auf mich zukommt.

„In den Riss hineinstellen“ – Wilhelm Philipps der Jüngere (1891-1982). Dokumente aus seinem Leben für Kirche und Diakonie von der Kaiserzeit bis in die Zeit des geteilten Deutschlands. ISBN-Nummer: 978-3-7858-0794-1, Band 31, Luther-Verlag.