Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

„Es ist sehr viel in Bewegung“

Interessanter Vortrag: Saida Aderras referierte in Ochtrup zum Thema "Frauen im Islam".

Es war corona-bedingt ein nicht sehr großer, aber ein interessierter Kreis von Zuhörer*innen, die für den Vortrag von Islamwissenschaftlerin Saida Aderras ins Ev. Gemeindehaus in Ochtrup gekommen waren. In dem Vortrag, der von der neuen Referentin für Erwachsenenbildung im Ev. Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken, Dr. Esther Brünenberg-Bußwolder, organisiert worden war, beleuchtete die Referentin das Frauenbild im Islam. 

Zum Einstieg machte Aderras, die neben ihrem Beruf als Religionslehrerin auch für die von Hans Küng gegründete Stiftung Weltethos tätig ist, Gemeinsamkeiten zwischen Bibel und Koran deutlich, ging aber auch auf Unterschiede bei der Bewertung von Frauen ein. Anders als in der Bibel wurde beispielsweise Eva bei der Vertreibung aus dem Paradies im Koran keine Erbschuld zugeschrieben.

Von Beginn an bezog die Referentin ihr Publikum in ihre Ausführungen ein, als sie nach Schlagworten fragte, die den Anwesenden spontan zu Frauen im Islam einfielen, um danach die oft eher negativen Eindrücke durch die passenden Koran-Stellen und den historischen Kontext, in dem sie geschrieben wurden, geradezurücken. Letzterer wurde beispielsweise beim Thema Polygamie besonders erkennbar: In vorislamischen Zeiten waren Frauen auch im arabischen Raum völlig rechtslos und wurden als Menschen zweiter Klasse behandelt. So konnten Männer tatsächlich so viele Ehefrauen besitzen, wie sie wollten. Erst im Koran wurde die Zahl auf bis zu vier Ehefrauen begrenzt, die nur unter bestimmten Voraussetzungen geheiratet werden dürfen und zugleich die Empfehlung ausgesprochen, am besten nur eine Frau zu ehelichen, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden.

Viele weitere Aspekte, von Unzucht und Ehebruch über Scheidung bis zu Gleichwertigkeit von Frauen und Männern wurden erläutert und diskutiert. Wie ein roter Faden zog sich durch Aderras‘ Ausführungen, dass im Koran vor allem Schutz und Versorgung der Frauen vorrangig sind, während Abwertung und Unterdrückung kulturelle und traditionelle Gründe habe. Diese hätten mit Religion nicht zu tun hätten, würden aber fälschlicherweise oft mit ihr Verbindung gebracht würden. Als Beispiele wies die Referentin auf Themen wie häusliche Gewalt und Ehrenmorde hin.

Aderras erläuterte darüber hinaus, dass es vielfältige und umfangreiche Bestrebungen gebe, den Islam auf der Grundlage einer zeitgemäßen Auslegung des Korans zu reformieren. Dies werde jedoch dadurch erschwert werde, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen Gemeinden und Gruppierungen gebe. Sie alle müssten auf einen gemeinsamen Nenner kommen, da es keine für alle geltenden, hierarchisch aufgebaute Strukturen und auch keine einheitliche Finanzierung gebe. „Es ist theologisch sehr viel in Bewegung“ bekräftigte sie. 

Obgleich die Veranstaltung ein größeres Publikum verdient gehabt hätte, ermöglichten die Corona-Beschränkungen es, dass sie eher eine Diskussion als ein Vortrag war, da Aderras auf alle Fragen der Zuhörer*innen ausführlich einging. Zugleich weckte sie mit ihrer Sachkenntnis und ihren fundierten Einschätzungen das Interesse, sich mit dem Koran und dem Islam noch weiter zu beschäftigen.

Bettina Flug