Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken Pressemitteilung

„Es gibt keinen klassischen Schuldner“

Das Diakonische Werk blickt im Kreis Coesfeld auf 25 Jahre Schuldnerberatung zurück – Feierliches Jubiläum im Evangelischen Gemeindehaus.

Einen Rückblick über 25 Jahre diakonische Schuldnerberatung im Kreis Coesfeld.

Regionalleiterin Margret Liers.

Das Team der Schuldnerberatung.

„In der Schuldnerberatung ebenso wie in der Bibel ist der Freiheitsbegriff ein sehr zentraler“, erklärt Superintendent Joachim Anicker anlässlich der Feierlichkeiten zu 25 Jahren Beratungsstelle für ver- und überschuldete Menschen im Kreis Coesfeld. 1987 von der Evangelischen Kirchengemeinde Dülmen ins Leben gerufen, blickt die heutige Beratungsstelle des Diakonischen Werks des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken (www.dw-st.de) am Königswall auf 25 Jahre Schuldnerberatung zurück. Für das Team um Regionalleiterin Margret Liers Grund genug, zu einer Feierstunde in das Evangelische Gemeindezentrum Dülmen einzuladen. Rund 80 Festgäste, darunter Landrat Konrad Püning, Dülmens Bürgermeisterin Lisa Stremlau oder der Landtagsabgeordnete Werner Jostmeier, diskutierten am Mittwoch, 20. Februar, über Freiheit und Schulden im Kreis Coesfeld.

„Das Ziel von Schuldnerberatung ist es, die Menschen in bester evangelischer Tradition von möglichen Ketten zu befreien“, so der leitende Theologe des Evangelischen Kirchenkreises in einer kurzen Andacht. Die Arbeit des Diakonischen Werks im Auftrage des Kreises Coesfeld sei, so Anicker weiter, eine Sonderform ganzheitlicher Seelsorge. Auch in der Bibel fänden sich mit dem Zöllner Zachäus (Lukas 19) oder dem Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15) Geschichten von Freiheit und Würde. Landrat Konrad Püning sieht die diakonische Schuldnerberatung folglich in einer Vorreiterrolle in Dülmen. Der Coesfelder Landrat erlebte die Gründung der evangelischen Beratung für Schuldner Ende der 1980er Jahre als CDU-Fraktionsvorsitzender in Dülmen. Bürgermeisterin Lisa Stremlau fragte anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten nach dem eigentlichen Grund des Festes: „Haben wir angesichts dieser Schattenseiten unserer Gesellschaft überhaupt einen Grund zum Feiern?“. 

Den Festgästen stellten die Fachberaterinnen Anne Rott und Silvia Saunus anschließend die „Soziale Schuldnerberatung“ vor. In einem sachkundigen, kurzweiligen Vortrag führten Rott und Saunus in ihre Profession ein. „Wir wollen den Menschen Wege zu einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eröffnen und sie auf diesem Weg begleiten“, so das Credo der Diakonie. Dabei sei die Schuldnerberatung nicht auf den finanziellen Aspekt zu reduzieren. Die Ratsuchenden kämen mit ganz unterschiedlichen Anliegen in die Beratungsstelle. Neben der Entschuldung beinhaltet das Konzept der Sozialen Schuldnerberatung so auch die Existenzsicherung und die Budgetberatung als grundlegende Aufgaben. Die Fachberaterinnen und Fachberater sichern das materielle Existenzminimum, vermeiden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, helfen den Überblick zurück zu gewinnen über die eigenen finanziellen Möglichkeiten bis hin zur einem Insolvenzverfahren mit dem Ziel der Entschuldung. Fragten 1988 noch 121 Betroffene den Rat der Diakonie nach, waren es 2012 zuletzt über 1.000 Menschen im Kreis Coesfeld.

Einen Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen von Sozialer Schuldnerberatung warf anschließend ein Kreis aus Experten aus Politik und Beratung, moderiert von Radio Kiepenkerl-Sprecherin Eva Voß. Marion Kemper vom Evangelischen Fachverband Schuldnerberatung Rheinland-Westfalen-Lippe machte auf den ganzheitlichen Ansatz der Beratung aufmerksam: „Schuldnerberatung ist Sozialarbeit.“ Die Kolleginnen und Kollegen seien letztlich Berater in sehr vielen Lebenslagen. 

Obergerichtsvollzieher Volker Ames ergänzte die Perspektive der Betroffenen: „Es gibt keinen klassischen Schuldner. Erschreckend ist aber die hohe Zahl junger Schuldner.“ In einem Punkt waren sich die Diskutanten allesamt einig: Für die Zukunft wünschten sich alle Redner einen Ausbau an Beratungsstellen und eine möglichst frühzeitig einsetzende Aufklärung und Prävention.

www.dw-st.de