Im Zusammenhang mit dem Untersuchungsbericht von Deloitte zur Kommunikation mit Familien und Öffentlichkeit hat Superintendentin Susanne Falcke heute Fehler und Versäumnisse der Evangelischen Kirche eingeräumt.
Gegenstand der Untersuchung durch Deloitte war, nachdem mehrere staatsanwaltschaftliche Verfahren seinerzeit eingestellt worden waren, nicht der eigentliche Verdachtsfall im Evangelischen Martin-Luther-Kindergarten Dülmen aus dem Jahr 2012, sondern insbesondere die Kommunikation mit den betroffenen Familien sowie die Kommunikation mit der Öffentlichkeit – denn gerade daran hatte es immer wieder Kritik seitens der betroffenen Familien gegeben.
Der Gesprächsfaden, so Falcke, sei seinerzeit abgerissen und die Fronten zwischen Eltern und den Beteiligten seitens des Kirchenkreises seien recht verhärtet gewesen. Aus Sorge, die Ermittlungen zu beeinflussen, habe man sich auf den Rat der Polizei und des damaligen Rechtsanwaltes verlassen und bewusst keine weiteren Gespräche gesucht. Diese Empfehlung sei nicht ausreichend hinterfragt worden. Mit der wiederholten Einstellung der Ermittlungsverfahren sei der Fall rechtlich abgeschlossen gewesen, „menschlich und seelsorgerlich aber nicht“, wie die Superintendentin betonte.
Grundsätzlich hob Falcke hervor, dass sexualisierte Gewalt nur sehr schwer nachweisbar sei, weil häufig Aussage gegen Aussage stünde. Gerade Kinder fielen zudem leichter durchs Raster, eine Situation, die vor allem für betroffene Familien nur schwer erträglich sei.
Die Erleichterung, dass die Ermittlungsverfahren eingestellt wurden und die Kita-Leiterin in den Kindergarten zurückkehren konnte, habe gegenüber dem Mitgefühl für die Kinder überwogen: „Die Türen für Gespräche hätten unsererseits offengehalten werden müssen – unabhängig von polizeilichen Ermittlungen, subjektiven Einschätzungen und sicher gut gemeinten Empfehlungen.“ Dadurch habe die Kirche es versäumt, den Familien seelsorgerliche Unterstützung anzubieten.
Die Superintendentin berichtete, sie habe den betroffenen Familien angeboten, sie vorab und persönlich über die Ergebnisse der Deloitte-Untersuchung zu informieren. Es habe sich jedoch niemand von den Betroffenen gemeldet: „Das bedaure ich, aber das müssen wir nach den Erfahrungen, die die Familien gemacht haben, akzeptieren und respektieren.“
Die Superintendentin kündigte an, der Kirchenkreis werde sich mit dem vorliegenden Untersuchungsbericht und den ausgesprochenen Empfehlungen intensiv und gewissenhaft auseinandersetzen und über notwendige Konsequenzen – auch struktureller Art – beraten. Ziel sei es, bestehende Prozesse, Zuständigkeiten und Kontrollmechanismen kritisch zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Mit der Evangelischen Kirche von Westfalen werde man sich dazu ebenfalls austauschen. Falcke sprach sich exemplarisch dafür aus, dass die Verantwortung für die Aufklärung von Verdachtsfällen in Zukunft nicht mehr bei den Superintendent:innen vor Ort liegen solle, sondern eine übergeordnete, unabhängige Instanz mit umfassenden Kenntnissen und Befugnissen der Sache und der notwendigen Distanz sinnvoll wäre. Falcke betonte: „Wir müssen uns als Kirche immer vor Augen führen, und es noch stärker verinnerlichen: Wenn Betroffene bei uns anklopfen, müssen wir die Tür öffnen und zuhören – selbst wenn es für uns unangenehm wird. Das gilt gerade auch beim Thema Missbrauch.“
Abschließend erklärte die Superintendentin: „Auch wenn dieser Fall dreizehn Jahre zurückreicht, nagt er bis heute an mir. Damals hatte ich als Gemeindepfarrerin in Dülmen die Aufgabe, das Team der Kita seelsorgerlich zu begleiten. Heute, in meiner Rolle als Superintendentin, ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir aus den Fehlern, die wir im Fall Dülmen gemacht haben, lernen. Dies gelte gleichermaßen für Prävention, Intervention und Aufarbeitung. Dafür seien in den letzten Jahren bereits Regelungen getroffen worden; bei den Schulungsmaßnahmen im Kirchenkreis, insbesondere für die Mitarbeitenden der 25 Kitas, gelte der Grundsatz: „Kinder sind das Wertvollste und zugleich Verletzlichste in unserer Gesellschaft. Sie verdienen unseren Schutz und unsere Aufmerksamkeit. Wenn Eltern uns ihre Kinder anvertrauen, tragen wir eine besondere Verantwortung – einer Verantwortung, der wir zu jeder Zeit gerecht werden müssen und wollen.“
Eine persönlichkeitsrechtskonforme Fassung des Berichts ist hier einsehbar -->