Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Ein treffliches Streitthema

Dr. Michael Bertrams sprach in Borken zum Verhältnis zwischen Staat und Kirche – Sichtbarkeit der Evangelischen Kirche im Ortsbild war Thema.

Foto: Thomas Hacker

Könnte die Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel den Bau und die Einweihung einer Kirche übernehmen? „Nein“, so die eindeutige Antwort von Dr. Michael Bertrams. „Sie wäre aber zum gemeinsamen Gottesdienst eingeladen.“ Diesen Vergleich benutzte der pensionierte NRW-Verfassungsgerichtspräsident jetzt Ende August, um die rechtlichen Verhältnisse zwischen Staat und Kirche verständlich zu machen. Zu diesem schwierigen Thema hatte der Evangelische Kirchenkreis als Auftakt einer dreiteiligen Vortragsreihe unter dem Motto „streitbar. Reformation und Politik“ in das Katharina-von-Bora-Haus nach Borken geladen, das mit über 50 Interessierten sehr gut besucht war.

Der Jurist beleuchtete die juristischen Hintergründe zum Verhältnis von Staat und Kirche, der staatlichen Teilfinanzierung oder dem Kirchensteuerprivileg. Kritisch sah er die zunehmende Einflussnahme beider Kirchen bei gesellschaftspolitischen Themen – während seiner Ansicht nach religiöse Fragen zu kurz kämen. Auch das kirchliche Arbeitsrecht war Thema seiner Ausführungen.

Dass die Thematik Staat und Kirche eines sei, „worüber es sich trefflich streiten lässt“, stellte Superintendent Joachim Anicker bereits zum Beginn des Abends fest. Dies bestätigte sich anschließend in einer Diskussionsrunde unter der Leitung von Daniel Cord, Öffentlichkeitsreferent des Kirchenkreises. Neben Fragen zur rechtlichen Legitimität von Konfessionsschulen oder zum Ausstieg aus dem seit Jahrzehnten praktizierten Finanzierung der Kirche durch den Staat (Staatskirchenrecht) spielte auch das Thema Islam eine große Rolle. Auf der einen Seite sah Bertrams den Islam kritisch, so etwa hinsichtlich der Stellung der Frau im Islam. Doch dieser hätte auch ein Recht, dass sein Glaube von beiden Kirchen ernst genommen werde. „Ich wünsche mir eine Diskussion, in der beide Kirchen öfter eindeutige Positionen beziehen, um in Frieden miteinander zu leben.“

Abseits dieser Themen bewegte einige Besucher aber auch das Thema der Sichtbarkeit der Evangelischen Kirche im Ortsbild. Bertrams, selbst ehrenamtliches Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen, räumte Versäumnisse ein. „Der Glaube vor Ort kommt meiner Wahrnehmung nach zu kurz“, sagte er und gab dem Superintendenten Gelegenheit zur Stellungnahme. „Die institutionelle Kraft der Kirche wird geringer“, bestätigte dieser. Wegen schrumpfender finanzieller Möglichkeiten konzentriere man sich vermehrt auf eine punktuelle Arbeit, etwa bei der Begleitung von Familien. Doch in diesen würden immer weniger religiöse Rituale gemeinsam praktiziert – ein großes Grundproblem für die kirchliche Arbeit. Man bleibe aber immer vor Ort. „Wir sind immer dort sichtbar, wo es um Existentielles geht.“

Text: Thomas Hacker