Die Assyrische Kirche des Ostens hat in diesem Jahr die Evangelische Kirche in Vreden gekauft. Im Interview sprechen Pfarrer André Odisho, das Vorstandsmitglied des Vereins Mar Odisho e.V., Achour Givargis, dessen Sohn George Givargis und Klaus Noack, Pfarrer der Kirchengemeinde Oeding-Stadtlohn-Vreden, über die Situation der Assyrische Gemeinde im Kreis Borken und ihre Pläne für die Zukunft.
Könnten Sie mir zunächst ein wenig über Ihre Gemeinde und deren Geschichte erzählen?
Pfarrer André Odisho: Unsere Kirche hat sich in den ersten hundert Jahren nach Christus gegründet. Das erste Kirchengebäude wurde im Jahr 48 nach Christus im Irak in der schönen Stadt Kokhi gebaut, die neben der Hauptstadt Bagdad liegt. Nach dem Fall des Assyrischen Reiches gab es im Nordirak ein kleines assyrisches Königreich unter der Herrschaft von König Oger Okama, der von Jesus Christus gehört hatte und seinem Volk von ihm erzählte. So wurden wir Christen, ohne Jesus zu sehen.
Der Apostel Thomas, einer der zwölf Jünger Jesu Christi, und die Apostel Thaddäus und Mar Mari begründeten die Rituale unseres Glaubens in der Stadt Kokhi im Irak. Dies ist der Ursprung unserer Religion. Bis heute halten wir uns strikt an diese Rituale und sprechen Assyrisch, eine Form des sumerischen Akkadischen, der Sprache Jesu.
Achour Givargis: Unsere Assyrische Gemeinde im Kreis Borken hat sich 1995 gegründet, da bestand sie nur aus ein paar Familien in Borken, Legden und in Vreden. Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 in Syrien sind viele weitere Familien dazugekommen, es sind jetzt ungefähr 250 Familien. Davon leben 150 Familien in der Stadt Borken und ca. 30 Familien in Vreden. Wir sind eine wachsende Gemeinde. 98% unserer Mitglieder kommen aus Syrien, 2% aus dem Irak.
Pfarrer André, wie lange sind Sie schon Pfarrer dieser Gemeinde?
Pfarrer André Odisho: Ich bin seit 2018 Pfarrer dieser Gemeinde. Vorher war ich Pfarrer in Syrien.
Welche Aufgaben haben Sie als Pfarrer der Gemeinde?
Pfarrer André Odisho: Ich feiere Gottesdienste, Trauungen und Taufen, ich beerdige Menschen und führe seelsorgliche Gespräche. Außerdem gebe ich Sprachkurse in der Assyrischen Sprache für Kinder.
2013 haben Sie bereits die Evangelische Markuskirche in Burlo für Ihre Gemeinde gekauft. Was waren die Beweggründe für den Kauf der evangelischen Kirche in Vreden?
Achour Givargis: Viele assyrische Familien leben in Vreden und Gronau, für die ist der Weg nach Burlo weit. Außerdem gehen wir davon aus, dass in Zukunft noch mehr assyrische Christen in den nördlichen Teil des Kreises Borken ziehen werden. Daher haben wir uns entschieden, die Kirche in Vreden zu kaufen. Wir sind eine wachsende Gemeinde und brauchen Gebäude, um uns zu treffen und Gottesdienste zu feiern. Durch die Kirchen werden wir auch nach Außen sichtbarer.
Wir wollen auch noch eine dritte Kirche kaufen, die Evangelische Kirche in Weseke. Ein Verein ist schon gegründet, aber es wird noch etwas dauern, bis der Verkauf abgeschlossen ist.
Der Verein, der die Kirche in Weseke kaufen wird, heißt Mart Mariam. Der Verein, der die Kirchen in Vreden und Burlo gekauft hat, heißt Mar Odisho & Mar Quardagh. Wir haben also zwei Assyrische Kirchengemeinden im Kreis Borken, aber Pfarrer André ist unser gemeinsamer Pfarrer.
Haben Sie räumliche Veränderungen oder Renovierungen vorgenommen, um die Gebäude besser an die Bedürfnisse Ihrer Gemeinde anzupassen?
George Givargis: Wir haben noch keinen Plan gemacht, aber es müssen ein paar Dinge verändert werden. Im Altarraum wird auf der rechten Seite ein Raum abgetrennt, der ist für Taufen. Auf der linken Seite ist dann ein Raum für den Pfarrer und die Diakone. Der Umbau dauert bestimmt ein Jahr.
Aber Sie können trotzdem schon Gottesdienste hier feiern?
George Givargis: Ja, das ist kein Problem. Wir können die Kirche nur noch nicht offiziell als Assyrische Kirche bezeichnen, weil sie noch nicht eingeweiht ist. Und das geht erst, wenn die Umbauten vorgenommen wurden. Die Einweihung wird durch unseren Bischof vorgenommen, der dafür aus Schweden anreist.
Pfarrer André, wie organisieren Sie die Gottesdienste für drei Standorte?
Pfarrer André Odisho: Wir machen einen Jahresplan und wechseln die Gottesdienstorte ab. Ein Sonntag in Weseke, einer in Burlo, einer in Vreden. Aber an Ostern und Weihnachten und anderen wichtigen Feiertagen, da wird es in jeder der beiden Gemeinden Gottesdienste geben, die feiere ich dann hintereinander.
Wie lange dauern bei Ihnen die Gottesdienste?
Pfarrer André Odisho: Ein normaler Gottesdienst dauert 1 ½ Stunden. An Feiertagen können es auch schon mal zwei Stunden sein. Es kommen immer viele Menschen zu den Gottesdiensten und das Austeilen des Abendmahls dauert dann entsprechend lange.
Nach dem Gottesdienst trinken wir noch Kaffee zusammen und an besonderen Tagen gibt es danach ein großes Essen, zu dem jede Familie etwas mitbringt.
Haben Sie auch Diakone hier in der Gemeinde?
Pfarrer André Odisho: Diakone sind leider Mangelware. Ein bis zwei maximal haben wir hier in der Umgebung. Ohne sie kann ich keinen Gottesdienst feiern. Sie helfen mir z.B. beim Austeilen des Abendmahls.
Wie sind die Rückmeldungen aus Ihrer Gemeinde auf den Verkauf der Kirche, Herr Noack?
Pfarrer Klaus Noack: Erstmal finden es eigentlich alle toll, dass die Kirche Kirche ist und bleib und nicht abgerissen wird. Woran wir noch arbeiten müssen, ist an dem Verständnis, dass die Assyrische Kirche auch eine christliche Kirche ist. Sehr lange gab es hier in Vreden nur die evangelische und die katholische Kirche. Und jetzt gibt es noch eine dritte christliche Kirche, die Assyrische. Ich bekomme oft die Frage gestellt: Was ist das für eine Religion? Ich antworte dann immer: Das sind Christen, wie wir!
Viele Menschen aus der Gemeinde machen sich Sorgen, dass ich Vreden verlasse, jetzt, wo wir die Kirche verkauft haben. Aber ich bleibe Pfarrer der Gemeinde und auch vor Ort in Vreden.
Die Ev. Kirchengemeinde darf die Kirchen weiterhin für Gottesdienste nutzen. Machen Sie auch gemeinsame Gottesdienste / Veranstaltungen?
Achour Givargis: Die Evangelische Gemeinde darf immer gerne zu Gast bei uns sein. Mehrmals im Jahr feiern wir auch gemeinsame Gottesdienste, auch als Dreierökumene mit der katholischen Kirche. Als unser Patriarch letztes Jahr zu Besuch war, hat er in seiner An-sprache unterstrichen, wie wichtig ihm das ökumenische Miteinander ist.
Meine abschließende Frage lautet: Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihrer Gemeinde?
Pfarrer André Odisho: Wir wollen unsere Gemeinde, unsere Kirche beschützen, unsere Sprache pflegen und unsere Liturgie und unseren Kindern den Glauben an Jesus Christus weitergeben. Außerdem hoffen wir, dass sich die ökumenischen Kontakte weiter intensivieren.
Achour Givargis: Unsere Kirchen sind Häuser Gottes und für alle Menschen da. Sie bleibt auch weiterhin die Kirche der evangelischen Gemeinde. Wir sind zu 100% Christen und wir wünschen uns, dass wir auch so gesehen werden.
Das Interview führte Öffentlichkeitsreferentin Maleen Knorr.