Angesichts der momentanen Flüchtlingsdebatte, der europäischen Finanzkrise sowie internationaler Konflikte in Syrien, im Irak oder der Ukraine ruft der frühere EKD-Ratsvorsitzende Dr. h.c. Nikolaus Schneider dazu auf, den Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung neu auszutarieren.
Einem wachsenden „kalten Egoismus“ und einer zunehmenden „Selbstbezogenheit“ müssten eine gemeinschaftsfördernde Kultur, geteilte Erinnerungen und ein Mehr an Miteinander entgegengestellt werden, so der Alt-Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland am Montag, 9. November, anlässlich eines Vortrages im westfälischen Gronau. In der Evangelischen Stadtkirche eröffnete Schneider eine fünfteilige Vortragsreihe über die Begrifflichkeiten von Freiheit und Verantwortung. Die Reihe in der Gronauer Stadtkirche ist Teil eines Sanierungsprojektes des 1897 eingeweihten Kirchenbaus.
"Gottvertrauen schenkt Mut - auch in unsicheren Zeiten"
„Nur eine an Verantwortung gebundene Freiheit dient dem Leben“, ruft Nikolaus Schneider den rund 300 Gästen in der neugotischen Kirche im westlichen Münsterland zu. Unter der Überschrift „Freiheit in Verantwortung“ skizziert der Duisburger Theologe auf Einladung der Evangelischen Kirchengemeinde Gronau in seinem rund einstündigen Vortrag seine Vorstellung von einer biblisch begründeten Freiheit. Erst die zahlreichen Bindungen, an die Mitmenschen, an Erinnerungen, Werte und Regeln führten zu einer qualitativen Freiheit. Auf die Frage, aus welcher Quelle die eigenen Bindungen erwachsen, antwortet Schneider: „Hier kann ich persönlich von meinem Glauben erzählen. Andere Menschen können womöglich von anderen Quellen berichten“. Der Mensch als Ebenbild Gottes sei keine Insel, meint der Alt-Präses weiter. „Gott lässt uns nicht alleine in unserer Freiheit, er ist mit uns mit seinem Segen“. Die zahlreichen, tragenden Bindungen zeigten sich gegenwertig auch in dem Engagement vieler Menschen für Geflüchtete und Asylsuchende. „Auf diese Unterstützung so vieler Menschen bin ich stolz“, so Schneider.
Zugleich betont der gebürtige Duisburger, der von 2010 bis 2014 dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorstand, die Bindung an Werte, Normen und Gesetze. So bedürfe eine Willkommenskultur immer auch klare Positionen: „In der Begegnung mit Flüchtlingen können wir die eigenen Werte wieder einüben, für wichtig erachten und schätzen lernen“, argumentiert Schneider. Dazu zählten die demokratische Grundordnung in Gestalt des Grundgesetzes ebenso wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder die Religionsfreiheit.
Freiheit und Verantwortung in Sport, Politik, Wirtschaft und Medien
Der Vortrag des Theologen Schneider eröffnete in der Evangelischen Stadtkirche in Gronau eine fünfteilige Vortragsreihe. Musikalisch begleiteten Kreiskantor Dr. Tamás Szőcs am Klavier sowie Karl Sousa an der Violine den Abend. Bis zum 9. November 2016 beleuchten prominente Redner aus Politik, Wirtschaft, Medien und Sport die Begrifflichkeiten von Freiheit und Verantwortung. „In den kommenden beiden Jahren dominieren Baugerüste und Gewerke, Klinker und Mörtel das Bild der Stadtkirche“, meint Kirchenrat Rolf Krebs. „Die Kirchengemeinde möchte daher mit der fünfteiligen Vortragsreihe ganz bewusst die Inhalte und Botschaften betonen, die von dem neugotischen Bau ausgehen“, so der einstige Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Gronau weiter. In der Gronauer Innenstadt steht die Evangelische Kirchengemeinde vor einer großen Herausforderung: Für rund 1,06 Millionen Euro werden in den kommenden zwei Jahren die Dachkonstruktion sowie die Außenwände der neugotischen Stadtkirche in Stand gesetzt. Neben Eigenmitteln (500.000 Euro), Zuschüssen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (150.000 Euro), des Evangelischen Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken (200.000 Euro) sowie der Sparkasse Westmünsterland (25.000 Euro) verspricht sich die Evangelische Kirchengemeinde Gronau weitere Erlöse aus Spendenprojekten.