Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Der letzte Kunstfehler: Infusion auf dem Sterbebett

Anschaulicher Vortrag mit Dr. Matthias Thöns in Gescher.

Pfarrer Ulrich Radke, Hospizkoordinator im Evangelischen Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken, mit Dr. Matthias Thöns (rechts).

Als „letzten Kunstfehler“ bezeichnete Dr. Matthias Thöns, niedergelassener Palliativmediziner aus Witten, die verbreitete Infusionsbehandlung sterbenskranker Menschen. Zu seinem Vortrag hatte der Ambulante Hospizdienst Borken-Gescher-Rhede des Diakonischen Werks Mitte Mai in das Haus Hall nach Gescher eingeladen. Das Thema traf angesichts eines vollen Saals auf großes Interesse.

Es gehöre nun einmal zum normalen Sterbevorgang, so Thöns während seiner Ausführungen, dass man am Lebensende das Essen, Trinken und später das Atmen einstelle. Als Mediziner beobachte er, dass die Menschen am Lebensende weniger Hunger hätten, kaum noch tränkten und schwächer würden. Letztlich versagten Nieren und Atmung. Von diesem Hungerstoffwechsel sei die Leiden mindernde Wirkung der Blutansäuerung bekannt, auf Nierenversagen erfolge die körpereigene „Morphiumausschüttung“ und durch Sauerstoffmangel entstünden Glücksgefühle. „Wenn nun die Intensivmedizin Blutansäuerung, Nierenversagen und Sauerstoffmangel behebt, mindern wir Leidenslinderung“, so der Palliativmediziner. Dies werde als „letzter Kunstfehler“ bezeichnet. 

In besonderem Maße diskutierten die über 100 Zuhörenden über Sinn und Unsinn der künstlichen Ernährung durch die Magenwand. Diese sogenannte PEG-Sonden-Ernährung sei als kurzfristige Überbrückungsmaßnahme durchaus ein Segen, in der Behandlung sterbenskranker Patienten mit Hirnabbauerkrankungen oder fortgeschrittenem Krebs aber eher ein Fluch. Gleichwohl würde bei nahezu jedem zehnten Patienten in deutschen Seniorenheimen diese Sonden über Jahre genutzt, so Thöns weiter.

Eine neue Studie zeige zudem, dass frühzeitige Palliativmedizin zu mehr Lebensqualität, weniger Depression und weniger aggressiver Therapie, jedoch zu einer längeren Überlebenszeit führe. Thöns endete mit einer alten Weißheit der Begründerin der modernen Palliativbewegung, Cicely Saunders: „Menschen sterben nicht, weil sie nicht essen; sondern sie essen nicht, weil sie sterben“.