Wie wichtig gerade in der heutigen Zeit der christlich-jüdische Austausch ist, wurde bei einem Podiumsgespräch in der ehemaligen Synagoge in Coesfeld deutlich, zu dem das Kreisdekanat Coesfeld eingeladen hatte. Susanne Falcke, Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Steinfurt/Coesfeld/Borken, Gastgeber Kreisdechant Jörg Hagemann und Sharon Fehr, Ehrenvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Münster, waren sich einig, wie wichtig ein gutes Miteinander, die Begegnung und der Austausch sei. Das drückte auch der Titel „Seite an Seite – Christlich-jüdische Freundschaft im Münsterland“ aus, unter dem die Veranstaltung stand. Gut 30 Interessierte waren der Einladung am späten Sonntagnachmittag gefolgt und 200 Menschen verfolgten das Gespräch, das von Julia Geppert vom Bistum Münster moderiert wurde, im Livestream im Internet.
„Begegnungen wie diese sind unerlässlich, um den Dialog lebendig zu halten“, machte gleich zu Beginn Sharon Fehr deutlich. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem 1.200 Israelis getötet wurden und der den größten Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah darstellte, habe sich die Lage verändert. „Antisemitische Taten haben sich verdoppelt. Wir spüren den 7. Oktober bis heute tagtäglich. Er hat eine tiefste Erschütterung in der jüdischen Community weltweit ausgelöst. Das jüdische alltägliche Leben – auch hier im Münsterland – hat sich massiv verändert“, schilderte Fehr. Gemeindemitglieder seien verunsichert und hätten große Sorge, wenn sie beispielsweise Zeichen ihres Glaubens wie die Kippa in der Öffentlichkeit trügen. „Ich bin traurig und wütend zugleich. Nach 80 Jahren wird empfohlen, alles zu vermeiden, was uns als Juden outet. Unsere Mitglieder sagen, dass sie sich heute bedrohter fühlen als je zuvor“, berichtete Fehr und fügte hinzu: „Ich bin das, was ich bin. Aber dafür sollte ich doch keine Angst haben.“
„Als religiöse Menschen kann es nicht sein, dass ihr eure Religion nicht leben könnt“, betonte auch Hagemann. Deshalb sei es notwendig, auch über die Gefühle zu sprechen und sich auszutauschen. „Kirche sein geht im solidarischen Tun. Wir gehen aufeinander zu auch trotz oder wegen der Unterschiede. Dabei darf man unterschiedlicher Meinung sein“, ergänzte er mit Blick auf die Theologie. „Wichtig ist es mit den Ohren, dem Verstand und dem Herzen zu hören. Wir müssen unseren Ton und unsere Eindeutigkeit schärfen“, sagte Falcke. Freundschaft bedeute, sich gegenseitig besser kennenzulernen, gemeinsam auf dem Weg zu sein sowie Herzlichkeit, Verbundenheit und Dankbarkeit. „Ihr seid unsere älteren Geschwister“, hielt Hagemann fest.
Um Seite an Seite dem Antisemitismus die Stirn zu bieten, seien Begegnung und Gespräch unerlässlich. Auf diesem Weg könne aus Fremdheit Nähe entstehen. „Außerdem ist Bildung wichtig. Wer gebildet ist und versteht, ist gegen Antisemitismus gewappnet“, ist Fehr überzeugt. Und dann stellte er mit Blick auf den Veranstaltungs- und Erinnerungsort noch etwas klar: „Für uns Juden bleibt eine Synagoge immer eine Synagoge, auch in Abwesenheit der ehemaligen Mitglieder. So würde ich in Coesfeld nicht von der ehemaligen, sondern von der alten Synagoge sprechen.“
Auf der YouTube-Seite des Bistums Münster ist das Podiumsgespräch weiterhin abrufbar.
Austausch zur christlich-jüdischen Freundschaft in Coesfeld
Sie stehen Seite an Seite im christlich-jüdischen Dialog: (von rechts) Superintendentin Susanne Falcke, Sharon Fehr, Ehrenvorsitzender der jüdischen Gemeinde Münster, Kreisdechant Jörg Hagemann, Moderatorin Julia Geppert und Kreisdekanatsgeschäftsführer Benedikt Helmich. Foto: Michaela Kiepe / Bistum Münster