Der Schlüssel für jede zwischenmenschliche Begegnung ist Kommunikation. Wie aber kann das in Pandemie-Zeiten funktionieren, in denen Kontakte stark eingeschränkt werden müssen? Auf Einladung des Ev. Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken befasste sich Kommunikationswissenschaftlerin Doris Ulmke aus Münster mit dieser Thematik. Online ging sie in einer Zoom-Konferenz mit zahlreichen Teilnehmenden der Frage nach, wie die gegenwärtigen Veränderungen des Miteinanders und der Kommunikation auf das Leben wirken und wie damit umgegangen wird.
„Menschen können sich bei fröhlichen Feiern mit Corona anstecken, Nähe ist plötzlich gefährlich, noch immer besteht Alarmbereitschaft“, fasste die Referentin die gegenwärtige Situation zusammen. Das Alltagsleben hat sich verändert, was geht stattdessen? Schutzmaßnahmen verhindern direkte Kommunikation, Vertrautheiten werden durcheinandergebracht. Was oft vermisst wird, ist die Spontaneität, einzuladen oder jemanden zu besuchen. Bitter ist das Gefühl, sich immer weiter voneinander zu entfernen. Die Furcht vor Ansteckung ist groß, sodass „Slalomläufe“ um die Passanten auf der Straße herum keine Seltenheit sind. Zweifellos haben die Sicherheitsvorschriften ihren Sinn, doch sie führen zu psychisch Konsequenzen. 1,5 bis 2 Meter Abstand zueinander sind notwendig. „Das ist schon eine recht große Distanz für menschliches Miteinander“, betont Ulmke.
Die Hygieneregeln verhindern direkten Hautkontakt. Berühren und Fühlen sind jedoch elementare Wahrnehmungen. „Mit der Tabuisierung des Anfassens ist eine wichtige Verbindung von Mensch zu Mensch gestört“, so die Kommunikationswissenschaftlerin, „die Gesichtsmaske ist mittlerweile ein zusätzliches Kleidungsstück geworden.“ Die für gegenseitiges Verständnis so wichtige Mimik ist nicht mehr wahrnehmbar, wenn Menschen sich nur noch maskiert begegnen. Das unbewusst praktizierte „Lippenlesen“ fällt einfach weg. „Natürlicherweise ist der ganze Körper mit allen Sinnen an Kommunikation beteiligt“, hebt die Expertin hervor, „sie beginnt mit der optischen Wahrnehmung.“
Verständigung hat auch nonverbale Aspekte. Wie jemand geht oder steht, die Stellung der Arme, Beine und Füße sagt etwas aus. Leicht können dabei Missverständnisse entstehen, ebenso wie durch die akustische Verzerrung beim Sprechen durch die Gesichtsmaske. „Darum ist es wichtig, Sachverhalte deutlicher, detaillierter darzustellen und bei Zweifeln direkt nachzufragen“, sagt Ulmke. „Es ist durch die kommunikativen Einschränkungen bedeutsam, in Ruhe, langsam und deutlich über Empfindungen, Gefühle, Meinungen und Gedanken zu sprechen“, fügte sie hinzu.
„Wir wollen nicht im Frust steckenbleiben“, ermutigte die Referentin. Es gibt ausgleichende Elemente, andere Kanäle, die in der Distanz wichtiger werden. Medien sind raumüberwindend. Sie reichen vom traditionellen Brief über das Telefon bis hin zu Online-Konferenzen und Homeoffice. Das Internet überwindet Entfernungen mittlerweile grenzenlos. Digitale Medien sind nicht wegzudenken, die Frage ist, wie man sie nutzt. Seit einem Jahr gibt es ein exponentielles Anwachsen von Online-Meetings. Man lernt die Vorteile zu schätzen und viele nutzen die Möglichkeiten auch im Privatbereich. „Wir sind dabei, uns an diese neuen Formen zu gewöhnen“, sagt Ulmke, „als Ergänzung und ein wenig als Ersatz für direkte Begegnung.“ Letztlich gibt es aber Begrenzungen, die andere Kanäle aussparen. Die Kommunikationswissenschaftlerin rät dennoch dazu, die elektronischen Kontaktwege in der Pandemiezeit zu nutzen, um Begegnungen grundsätzlich weiter zu ermöglichen.
Rainer Nix