Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Westfälischer Kammerchor Münster sorgt für wärmende Tondecke in der Evangelischen Kirche in Coesfeld

Glänzendes Juwel zum „kleinen“ Finale

Auf dem Foto sieht man die Mitglieder des Westfälischen Kammerchores mit ihrem Dirigenten Tamás Szöcs

„Kleines Finale“ des Bach-Festes Münster in Coesfeld: Der Westfälische Kammerchor Münster und das Instrumentalisten-Ensemble unter Gesamtleitung von Dr. Tamás Szöcs erzeugten magische Momente. Foto: Detlef Scherle

„Tobe, Welt, und springe; ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh!“ Besser als diese Zeile aus der dritten Strophe der Motette „Jesu, meine Freude“ von Johann Sebastian Bach könnte die aktuelle politische Situation und die Stimmung des Konzerts am Sonntagabend in der Evangelischen Kirche am Markt nicht beschrieben werden. Will heißen: Wer Jesus an der Seite hat, der kann sich geborgen und vor allem Unbill sicher fühlen. Die Zuhörer erlebten geistliche Kammermusik und theologische Texte, die nicht nur an der Oberfläche kratzten, sondern ganz in die Tiefe gingen. Auch wenn sich das Hauptinteresse zum Abschluss des Bachfestes Münster am selben Abend wohl auf eine Veranstaltung mit dem weltbekannten Dirigenten Ton Koopman und sein Amsterdam Baroque Orchestra in der Apostelkirche in Münster konzentriert haben dürfte, war das „kleine“ Finale in Coesfeld doch ein mindestens ebenbürtig glänzendes Juwel im Schmuckkästchen der Reihe. Rund 250 Zuhörer begeisterten der Westfälische Kammerchor Münster und ein Instrumentalensemble unter der Gesamtleitung von Dr. Tamás Szöcs mit Original-Stücken von Bach und späteren Komponisten, die von ihm beeinflusst worden waren. Frei nach dem Motto des Bachfests Münster: Bach inspiriert.

Pfingstliche Freude lag gleich zu Beginn mit der Bach-Kantate „Erschallet, ihr Lieder“ in der Kirchenluft, bevor das Streicher-Trio Susanne Broekhuijsen, Annette Grooß und Marije Toenink zu Gehör brachte, wie Mozart Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ (aus sechs Fugen mit langsamen Einleitungssätzen zu drei Stimmen) verstanden hat. Die drei Streicherinnen boten die Bearbeitungen sehr plastisch und transparent dar. Während draußen ein leichter Sommerregen niederging, perlten drinnen die Töne. Wie magisch!
In die klassischen Mozartschen Interpretationen eingebettet war das moderne Stück „Immortal Bach“ von Knut Nystedt. Der Chor hatte sich dazu auf vier Ecken in der Kirche verteilt, so dass die Zuhörer ein Surround-Erlebnis genießen konnten. Sie drehten die Köpfe: Woher kam jetzt dieser Klang? Woher jener? Alles verband sich unter Szöcs Dirigat aus der Kirchenmitte zu einer wärmenden Tondecke, die aus der Not der schwierigen Akustik eine Tugend machte. Wie wunderbar!

Dann aber das Hauptstück: „Jesus, meine Freude“. Wer das Kirchenlied schon mochte, begann diese Motette mit ihren Einschüben von gesungenen Paulus-Zitaten mit jedem Vers mehr zu lieben. Inhaltlich „ohne Kompromisse“, so hatte es Szöcs angekündigt, waren die Römerbrief-Auszüge. Und die Sängerinnen und Sänger interpretierten die Motette so differenziert, dass ihre Dramatik sehr klar wurde. Starke Akzente und Stakkato-Einsätze der verschiedenen Stimmen ließen Bachs Komposition plastisch werden. Wie herrlich!
Durch die beinahe überdeutliche Artikulation der Sängerinnen und Sänger waren die Texte trotz des Nachhalls in der Kirche gut zu verstehen. Das zum Mitlesen mitgegebene Blatt wurde daher kaum benötigt – auch nicht bei Bachs „Vater unser im Himmelreich“ und dem Schlusschoral aus der Johannes-Passion. Zuletzt war es wohl auch das klare Dirigat von Szöcs, das Instrumentalisten und Sänger in dieser seligen Stunde zu Höchstleistungen antrieb. Da waren am Ende die stehenden Ovationen mehr als verdient.

Text: Detlef Scherle / Allgemeine Zeitung