Es war es eine interessante und sicher auch wichtige Erinnerung an einen denkwürdigen, zumeist kirchlichen Feiertag, dieses Wandelkonzert am Buß- und Bettag. Unglücklich sicher, einen in seiner Tradition bemerkenswerten, aber eben auch „freien Tag“ in den 90er Jahren mit Blick auf die äußerst wacklige Absicherung der damals neuen Pflegeversicherung den Arbeitgebern zu „opfern“. Egal.
In ökumenischer Eintracht hatten die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Ochtrup beschlossen, in diesem Jahr den Buß- und Bettag und seine historischen Beweggründe mit einem Wandelkonzert zwischen der Ev. Kirche und St. Lambertus zu begehen und Christen sowie Interessierte zu erstaunlicher Musik und ebensolchen Texten einzuladen.
„Im Grunde geht es bei diesem Feiertag um Besinnung und Veränderung. Buße meint mehr als Strafe oder Wiedergutmachung. Und da liegt ein Wandelkonzert doch nahe. Denn wer sich wandeln will oder tatsächlich wandelt, der braucht Bewegung“, hatte Pfarrerin Imke Philipps gleich zu Beginn einen interessanten theologischen wie gesellschaftlichen Argumentationsrahmen gespannt. Das Hin und Her zwischen den Gotteshäusern, zwischen eher neuen, aber auch vertrauten Tönen sowie Gebeten und Texten, sollte dieses überraschende Besinnungsangebot mit Zwischentönen für alle Besucher:innen ausmachen und diese auf vielfältigste Art auch anregen.
„Wandel und Wechsel, das ist etwas, was uns als evangelische und katholische Christen zusammenbringen kann und mit anderen wieder den Kontakt suchen lässt“, hob Pfarrer Stefan Hörstrup hervor. Thomas Lischik an der Orgel nahm anschließend vor allen Dingen das Überraschende und Neutönende ernst. In der Komposition „Spiegel im Spiegel“ von Arvo Pärt trat er in einen „minimalistischen Dialog“ mit Luis Andrade am Cello, der die flirrenden Klänge und Glockentöne der Orgel mit einem wunderbar sonoren und tonschönen Cellospiel kontrastierte. Der experimentelle und tatsächlich überraschende Musikansatz des komponierenden Organisten wurde dann mit seinem Stück „Thomas Lischik meets Arvo Pärt“ und in den „Freien Improvisationen zum Zustand der beiden christlichen Kirchen“, wie es Lischik formulierte, ungewohnt ohrenfällig. Beinahe verstörende, aber auch interessante Töne entlockte er dem Instrument, dessen Register er nur zum Teil zog oder doppelte, so dass auch pfeifende und brausende Zwischentöne sich mit Volksmusikweisen und bekannten Chorälen (bei der freien Improvisation) mischten und durchmischten. „Mit Blick auf den Zustand der beiden Kirchen konnte ich bei der Improvisation nicht zu einem versöhnlichen Ende kommen“, stellte der Organist fest.
Gute Möglichkeiten zum Durchatmen und Nachdenken boten im gesamten Programm in beiden Kirchen anregende und von verschiedenen Sprechern vorgetragene Texte und Betrachtungen von Hilde Domin über Huub Osterhuis, Elazar Benyoëtz bis hin zu Madelaine Delbrêl, welche Dr. Esther Brünenberg-Bußwolder, Erwachsenenbildungsreferentin des Ev. Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, zusammengestellt hatte.
Luis Andrade mit seinem Cello war sozusagen das musikalisch verbindende Element nach dem Ortswechsel in die St. Lambertikirche. Hier wartete nicht nur auf ihn, sondern auch die anderen „Wandelnden“ Kreiskantor Dr. Tamás Szőcs an der Orgel. Mit der B-A-C-H-Fantasie von Christian Heinrich Rinck, fein registriert und durchsichtig gespielt, nahm dieser den musikalischen Ball auf. Überzeugend dann wieder das Spiel des Cellisten Luis Andrada, der mit dem Organisten Josef Gabriel Rheinbergers „Elegie“ nachgerade anrührend vorstellte. Irgendwie folgerichtig endete das Konzert mit Johann Sebastian Bachs „Magnifikat“, das Szőcs wunderbar akzentuiert darbot. Nach dem gemeinsamen „Vater unser“, interessanten Segenswünschen und der ökumenischen Abschluss-Segnung von Pfarrerin und Pfarrer ging ein bemerkenswerter Abend am zu Unrecht in den Hintergrund gedrängten „Buß- und Bettag“ und das in vielerlei Beziehung anregende Wandelkonzert zu Ende.
Martin Fahlbusch