„Sonn- und Feiertage dürfen nicht dem zunehmenden Druck der Ökonomie geopfert werden“, erklärt Joachim Anicker, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken anlässlich des bevorstehenden Christfestes. Der Heilige Abend fällt in diesem Jahr auf einen Sonntag. Dass die Geschäfte dennoch nicht geschlossen bleiben, liegt an dem Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten. Dieses räumt Verkaufsstellen in Nordrhein-Westfalen am 24. Dezember – trotz des Sonntages – die Möglichkeit einer Öffnung in der Zeit von 10 bis 14 Uhr ein.
Fast schon als „Dammbruch“ bezeichnet Anicker den jüngsten Vorstoß der schwarz-gelben Landesregierung, die Anzahl der gesetzlich festgelegten verkaufsoffenen Sonntage von vier auf acht pro Jahr zu erhöhen.
„Der arbeitsfreie Sonntag ist aus guten Gründen im Grundgesetz wie in unserer Landesverfassung besonders geschützt“, so Anicker. Der Sonntag biete Raum, sich auf die wichtigen Dinge des Lebens zu besinnen und die Arbeit ruhen zu lassen. Auch wer den Sonntag nicht zum Kirchgang nutze, benötige einen gemeinsamen Tag zur Erholung und zur Pflege von Freundschaften und Familienleben. Sonntagsöffnungen schadeten massiv einer gemeinsamen Familienkultur und leisteten dem totalen Zugriff der Ökonomie Vorschub. Auch mit 40 freigegebenen Sonntagen könne der örtliche Einzelhandel nicht den Konkurrenzkampf mit den sonntäglichen Interneteinkäufen gewinnen, ist der Theologe überzeugt. Der Interessenkonflikt sei offenbar, doch müsse dem Schutz der Geschäftsleute, ihrer Angestellten und Familien Vorrang eingeräumt werden.
Der arbeitsfreie Sonntag sei als „heilsame Unterbrechung“ ein „vielfach gefährdetes Geschenk“, so Anicker. Er müsse geschützt und verteidigt werden, gerade weil er sich nicht rechne. Der Superintendent verweist auf die biblische Sabbattradition: „Das Gebot der Sonntagsheiligung ist eine der grundlegenden Schutzregeln unserer jüdisch-christlichen Tradition, die die Freiheit und Würde jedes einzelnen Menschen vor interessegeleitetem Zugriff bewahren wollen.“ Hunderttausende Menschen, die von bedrohlichen Burnout-Erfahrungen berichten könnten, seien Mahnung genug, an dieser Stelle wachsam zu sein.
Vor diesem Hintergrund lädt Anicker alle Menschen ein, am Heiligen Abend und während der Festtage bewusst die Ruhe zu suchen und die Geburt Jesu Christi neu in ihrer Bedeutung für das eigene Leben zu entdecken. An rund 40 Predigtstätten im westlichen Münsterland laden 20 evangelische Kirchengemeinden zu Weihnachtsgottesdiensten ein, die das heilsame Geschehen der Menschwerdung Gottes den Menschen nahebringen wollen.
„Mach’s wie Gott: werde Mensch!“ fasst der Superintendent seine diesjährige Weihnachtsbotschaft zusammen. „Zum Menschsein gehört die Erfahrung der eigenen Begrenztheit. Nur Gott ist immer im Dienst, damit wir Mensch bleiben können. Gott sei Dank.“