„Österliches Leben muss für Christen eigentlich heißen, so zu leben, als hätte man den Tod schon hinter sich, also überwunden und versucht nun Zeugnis zu geben von der Auferstehung Jesu und der Verheißung Gottes“.
Das war mal ein wuchtiger und markanter Satz in der aktuellen österlichen, aber auch Pandemie-verunsicherten Zeit. Stefan Jürgens, der diesen spirituellen Entwurf in einem Online-Vortrag darlegte, ist kein leichtfertiger theologischer Hochseil-Artist, sondern mittlerweile gestandener Pfarrer mit 25 Jahren seelsorgerischer Erfahrung. Er macht die Ergebnisse seiner inhaltlich-theologischen Entwicklungen, Studien, Reflektionen und Grundsätze in verschiedenen Büchern zugänglich und lädt damit zur Beschäftigung und Auseinandersetzung ein.
Dr. Esther Brünenberg-Bußwolder, Erwachsenenbildungsreferentin des Ev. Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, hatte den katholischen Geistlichen zu einer Online-Lesung gewinnen können, zu der sich rund 80 Interessierte „aus Nah und Fern“, wie es Brünenberg-Bußwolder formulierte, angemeldet hatten. Nicht zuletzt durch die aufmerksame und interessierte Art des Referenten wurde es durchaus ein gewisses Wechselspiel zwischen den Darlegungen des Autors und den Nachfragen und Einschätzungen der Hörer*innen.
Hauptanliegen in seinem Buch „Von der Magie zu Mystik – Der Weg zur Freiheit im Glauben“ ist es Pfarrer Stefan Jürgens, von einem von Magie und Angst besetzten Kinder- oder vermittelten kindlichen Glauben zu einer selbstverantworteten und gereiften mystischen Beziehung zu dem in jedem Fall zentralen Gott sowie zu einem freiheitlichen Erwachsenen-Glauben zu motivieren. Für den Seelsorger und Autor bedeutet das eine kritische Auseinandersetzung mit dem, was Kirche ist, was und wie sie das geworden ist mit ihren Strukturen, Hierarchien und tradierten Sicherheitsversprechungen. All das kam immer wieder entmündigenden und fragwürdigen Machtinteressen zupass.
Pfarrer Jürgens stellt dem wiederum ein aufgeklärtes Bemühen um das Erkennen der Liebe und der Allumfassenheit Gottes gegenüber. Um diese „fundamentale Beziehung“ solle sich der „einzelne Christ mit Bibel, Tageszeitung, Gebet und Übernahme von Verantwortung und Positionierung in der Welt und seinen Fragen und Aufgaben“ herausgefordert und aufgerufen sehen.
Skeptisch zeigte sich Stefan Jürgens zu dem, was die Halbwertzeiten beispielsweise der beiden großen Kirchen in Deutschland anginge. „Ich spreche da manchmal etwas ketzerisch von palliativer Begleitung dieser zunehmend ihre Mitglieder verlustigen Institutionen“, merkte der Theologe an, der in ökumenischen Bemühungen wichtige Ansätze ausmachte, als wesentlich für den mystisch Glaubenden aber die „überschaubare Vergemeinschaftung“ der den Zentrum-Gott-Suchenden ansieht.
Das Spannungsverhältnis von der Magie zur Mystik als Qualitätsmerkmal des Weges zur Freiheit im Glauben konnte Stefan Jürgens auch an seiner Biografie illustrieren, plädierte aber ebenso für einen aufgeklärten Umgang und eine kritische Einschätzung von Ritualen und kirchlichen Handlungen. Glauben sei keine Garantiezusage, sondern eine stetige Aufforderung um Auseinandersetzung und Erneuerung, für die die umfassende Hinwendung zu und das Vertrauen in Gott im Mittelpunkt stehe. Glauben, so Stefan Jürgens, sei ein Tu-Wort, das soziales und politisch-emanzipiertes Machen einschließe, ja nachgerade fordere.
Sowohl durch die vielen Gesprächsbeiträge und Fragen als auch durch die positiven Rückmeldungen in dieser Online-Veranstaltung des Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken konnten sich die Veranstalter*innen und Akteur*innen derartiger Angebote bestärkt sehen, solche Veranstaltungen unter den obwaltenden Umständen weiter anzubieten.
Martin Fahlbusch