Lichtdurchflutet, hell und weit präsentiert sich die Martin-Luther-Kirche den über 200 Gottesdienstbesuchern in Borken. Die Blicke während des Festgottesdienstes zum 50-jährigen Bestehen der Gemeinde richten sich auf das neue Rund des Kirchenschiffs und verharren auf dem warmen, fast glühenden, mit Blattgold verzierten Triptychon am Kopfende des ansonsten schlichten Baus. Viele Gäste kommen aus dem Staunen nicht mehr raus: Anlässlich der 50 Jahre währenden Eigenständigkeit der Evangelischen Kirchengemeinde Borken hat das Presbyterium den Gläubigen eine Neugestaltung der Martin-Luther-Kirche geschenkt. Und tatsächlich ist der mutig-weitsichtige Wurf ein rundum gelungenes Geschenk.
„Bevor wir ihnen die neue Bibel offiziell übergeben“, leitet Architekt Gido Hülsmann den Festgottesdienst Mitte Januar ein, „gratuliere ich ihrer Gemeinde zu ihrem Bauausschuss“. Hülsmann und sein Partner Dirk Boländer verschrieben dem Kirchbau eine Radikalkur und überzeugten damit das Presbyterium. Nach rund einem Jahr Bau- und Planungszeit übergaben die Planer nun die Gottesdienststätte – passend zum 50. Geburtstag der Kirchengemeinde – den Gemeindegliedern. Aus einer gemütlichen, aber doch eher engen, dunklen Kirche wird ein heller, strahlender Raum, in dem sich die Gemeinde um Sakramente und Verkündigung versammeln. Auf einer Achse ordneten die Architekten das in den Boden eingelassene Taufbecken, den sechs Meter langen Steinaltar sowie das neue, vergoldete Triptychon mit einer unkonventionellen Jesus-Figur als Zentrum an.
Beinahe im Charakter einer einladenden Lounge versammeln sich die Gläubigen jetzt um den Altar. Der Gedanke des Priestertums aller Gläubigen drückt sich auf diese Weise räumlich aus in einer direkten Teilhabe aller an Taufe und Abendmahl. Über dem Raum blickt der „Borkener Christus“, so Architekt Hülsmann, auf die Gottesdienstbesucher. Der Neustädter Künstler Peter Marggraf modellierte die Bronzefigur. Nach dem Festgottesdienst zeigt sich der Bildhauer hoch erfreut angesichts der vielen, positiven Rückmeldungen. Schließlich ist mit dem goldenen Triptychon und der 80 Zentimeter großen ChristusFigur der Funke des Glaubens übergesprungen. Die Figur lässt mit ihren unfertigen, oft angedeuteten Zügen und Kanten Raum für kreative Gedanken. „Uns war wichtig, dass wir keinen ausschließlich leidenden Christus darstellen“, meint Presbyter Christof Schmiechen. So lädt die Christus-Statue die Gläubigen mit offenen Armen ein. Ein angedeuteter Windstoß trägt die Figur beinahe in die Höhe. Für Künstler Marggraf wurde das Prinzip des „non finito“ zum leitenden Motiv. „Die Gottesdienstbesucher können diese Figur gedanklich weiter bearbeiten“, meint Marggraf.
In seiner Festpredigt erinnert Superintendent Joachim Anicker vom Evangelischen Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken an die Gründung der eigenständigen Kirchengemeinde Borken im Januar 1966. Vor 50 Jahren entließ die damalige Gemeinde Gemen die Geschwister in der Kreisstadt in die Eigenständigkeit. Doch verbindet bis heute vieles die Gemeinden in der Region. Seither prägten die Theologen Gustav Niedermeyer (1966-1975), Henner Herbst (1976-1995) und Ralf Groß (seit 1995) sowie 44 ehrenamtliche Presbyterinnen und Presbyter die Gemeinde. Hinzu kommen zahlreiche Pfarrerinnen und Pfarrer im Hilfs- und Probedienst, zuletzt Pfarrerin Dr. Lisa Krengel. Aber auch räumlich entwickelte sich die Gemeinde vom einstigen Gemeindehaus in der Villa Lueb an der Heidener Straße bis zum heutigen Katharina-von-Bora-Haus. Inhaltlich reicht die Gemeindearbeit von einer aktiven Kinder- und Jugendarbeit über eine geschwisterliche Ökumene bis zum Engagement für Geflüchtete und Asylsuchende. Ein Empfang nach dem Festgottesdienst schuf denn auch Raum für Begegnungen und Geschichten aus 50 Jahren evangelischer Gemeindearbeit in Borken.