Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

3 Fragen an ...

In der Rubrik "3 Fragen an ..." kommt jeden Monat eine Persönlichkeit aus dem Evangelischen Kirchenkreis in den KK-NEWS zu Wort. Im Folgenden lesen Sie das komplette Interview mit Jugendpfarrer Volker Rotthauwe zum Thema Rechtsradikalismus und Menschenfeindlichkeit.

Jugendpfarrer Volker Rotthauwe

Mit der Aufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds diskutieren viele Menschen wieder über die Gefahr durch rechtsradikale Aktivitäten. Welche Rolle kommt den evangelischen Christen hierbei zu?

Volker Rotthauwe: 
Gegen Fremdenfeindlichkeit aufzustehen und seine Stimme zu erheben, gehört zu den zentralen Aufgaben von Christen in unserer Gesellschaft. Am Umgang mit dem Fremden entscheidet sich das Christ-Sein: „ Ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich beherbergt“, ist im Matthäus-Evangelium ein entscheidendes  Kriterium für die Nachfolge Jesu Christi. Christen  wissen aber auch , dass sie  immer auch Teil der Gesellschaft sind und sich kritisch prüfen müssen, ob sie der verdeckten Fremdenfeindlichkeit, die in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist,  ebenso deutlich entgegen treten. Für mich sind deshalb die Projekte mit jungen Menschen mit Migrationshintergrund ganz entscheidende Lernfelder gegen Fremdenfeindlichkeit.. In der Jugendarbeit gibt es  in Emsdetten, Borghorst und Nottuln solche Praxisprojekte.

In Norwegen berief sich zuletzt der Attentäter Anders Behring Breivik auf den christlichen Glauben, um seine Taten zu begründen. Was entgegnen Sie gerade jungen Menschen, die den Glauben an Jesus Christus für den eigenen Fundamentalismus missbrauchen?

Volker Rotthauwe:
 Gott sei Dank sind mir solche fundamentalistischen jungen Christen hier im Kirchenkreis noch nicht begegnet. Träfe ich sie, würde ich ihnen nichts „ent-gegnen“, sondern versuchen ein Stück des Weges mit ihnen zu gehen, um zu erfahren, was ihnen Angst macht, welche Unsicherheiten hinter ihrem Fundamentalismus stehen. Ich bin überzeugt: wenn junge Menschen wirklich in der Begegnung mit anderen erfahren, dass Gott Liebe ist, „und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm (1. Johannesbrief 4,16), dann werden sie nicht fundamentalistisch bleiben. Trotzdem darf man nicht naiv sein: Christlicher Fundamentalismus ist auch in Deutschland gut organisiert und finanziell oft auch gut ausgestattet. Mit den Funktionären dieser Gruppierungen muss man sich theologisch und kirchenpolitisch auseinandersetzen.

Gerade junge Menschen gelten als leicht beeinflussbar. Gibt es im Kirchenkreis Angebote und Aktivitäten, um Jugendlichen christliche Werte wie Toleranz und Nächstenliebe als Gegenpole zu radikalem Gedankengut nahe zu bringen?

Volker Rotthauwe: 
Jede evangelische Jugendgruppe, jedes Projekt, jede Freizeit oder internationale Begegnung, jeder Jugendgottesdienst, sind Orte, wo Christsein gelebt und weiterentwickelt wird. Vom niedrigschwelligen Angebot bis zum Bibliodrama oder Jugendgottesdienst reicht die Bandbreite ganz praktischer Erfahrungsräume für Toleranz und Nächstenliebe. Ich persönlich wünsche mir noch mehr Projekte und Begegnungen in unseren Gemeinden mit jungen Menschen anderer Religionen, anderer Nationalitäten und anderer Milieus. Unsere Kirche beschäftigt sich bisweilen zu viel mit sich selber und bleibt gefangen in einem doch recht bürgerlichen Mittelschichtsmilieu. Hier müssen wir raus. Das Evangelium muss  im Alltag , im „Sozialraum“  Gestalt annehmen: „Suchet der Stadt Bestes“, heißt es bei Jesaja. Wir wollen mit Jugendlichen ganz konkret Christ-Sein gestalten, zum Beispiel auch im Engagement für die Bewahrung der Schöpfung.  In  unserer Aktion „Yellow hand“ engagieren sich beispielsweise Jugendliche mit Theaterszenen gegen Atomkraft. 

Danke für das Gespräch!

Das Interview ist erstmals erschienen in der Rubrik "3 Fragen an ..." in der Dezember-Ausgabe des Kirchenkreis-Newsletters. Die monatlichen KK-NEWS können Sie regelmäßig lesen oder bequem als Email im Abonnement bestellen.