Was bedeutet Nachhaltigkeit?
„Nachhaltigkeit“, was bedeutet das eigentlich? Ist dieser Anspruch leicht umzusetzen oder hat er dermaßen viele Facetten, dass er differenzierter betrachtet werden muss? Dieser Frage gingen Akteure und Publikum in einer weiteren Folge des Event-Formates „Kultur trifft Kirche“ in Emsdetten nach. Die Evangelische Gemeinde Emsdetten mit Pfarrer Rainer Schröder präsentierte das Thema, das zu den großen Herausforderungen unserer Zeit gehört, in der Martin-Luther-Kirche. Und das verständlich, anschaulich sowie ohne „belehrenden Zeigefinger“. Journalist Axel Engels moderierte, der in Emsdetten verortete Singer-Songwriter Reidar Jensen aus Norwegen brachte Lieder ein, deren Inhalte thematische Denkanstöße gaben. Podiumsgast Dr. Peter Rohlmann, Marketingexperte und langjähriger Berater im Sportbusiness, stellte die Definition von Nachhaltigkeit laut United Nations (UN) und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) voran: „Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden.“ Weltweiter wirtschaftlicher Fortschritt soll im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde stehen.
Vielschichtige Dimensionen eines großen Themas
Nachhaltigkeit hat viele Ebenen. Da gibt es religiös-ideologische, ökologische, wirtschaftliche und soziale Dimensionen. Da jeder gern möchte, dass sein Lebensraum möglichst lange auf hohem Niveau erhalten wird und das Leben angenehm bleibt, ist Nachhaltigkeit keineswegs selbstverständlich. „Es ist ein Thema mit Widersprüchen“, so Rohlmann. „Individuelle Vorteile überlagern gesellschaftlich-politische Erfordernisse.“ Mit der Erkennungsmelodie des Formates „Take A Look Around You“, appellierte Jensen wie immer, die Umwelt ganz genau zu betrachten und kritisch zu bleiben. Sein Song „Angry Rain“, wütender Regen, zeigt mit beunruhigender Intensität auf, wie der Klimawandel droht, sämtliche grünen Flecken auf der Erde zu zerstören. „Die Gefahren des sauren Regens für die Wälder haben wir in der Vergangenheit ja schon kennengelernt“, zitierte Jensen aus seinem Buch „Take A Look Around You“, aber nun vollzieht sich alles Zerstörende in weit größerem Maße, gelernt haben wir daraus wohl nicht so viel.“
Erkenntnis trifft Konsumverhalten
„Jeder mit etwas Weitsicht kommt zu der unzweideutigen Erkenntnis, dass Veränderungen in vielerlei Weise notwendig bis existenzsichernd sein werden“, betonte Rohlmann. Gleichwohl sei zu bemerken, dass unser aller Verhalten im täglichen Leben nicht mit den eigentlichen Erkenntnissen zu einer nachhaltigen Zukunft im Einklang stehe. Einer der Gründe ist, dass modische Kleidung oder die neusten Digitalgeräte als unverzichtbarer Teil des Lebensstandards und Lebensstils betrachtet werden. Neue Artikel werden in relativ kurzen Abständen gekauft, vorhandene aussortiert, obwohl der Produktlebenszyklus genau genommen noch nicht zu Ende ist.
Beispiel Sneakers: Scheinbare Nachhaltigkeit und ihre Schattenseiten
Der Referent machte das am Beispiel von „Sneakers“, einer modischen Kombination aus Sport- und Alltagsschuhen, deutlich. Jeder kennt sie, viele tragen sie. Durch geschicktes Marketing wird dem Verbraucher suggeriert, dass er immer die neusten Sneakers haben muss, um stets en vogue und angesehen zu sein. Zwar brüsteten sich Hersteller damit, neue Sachen aus recyceltem Altmaterial, z.B. aus Plastikflaschen, zu fertigen, doch werde ausgeblendet, unter welchen oft bedenklichen Umständen Altmaterial wieder in den Kreislauf gelange. Da gibt es Berichte von Kindern in Afrika, die an verdreckten und gesundheitsgefährdenden Stränden bei Mini-Entlohnung Plastikflaschen sammeln, um sie bei Weiterverwendern abzuliefern.
Praktische Ansätze für den Alltag
Nachhaltigkeit hat ihren Preis, teilweise sind finanzielle Investitionen notwendig. Das verteuert Produkte und weniger gut Verdienende können sie sich nicht mehr leisten. Diese sehen sich dann von etwaigen Verpflichtungen ausgenommen. Es herrscht dann oft die Ansicht, dass doch „die da oben“, die Besserverdiener, ihr Verhalten den Nachhaltigkeitsanforderungen anpassen sollen. Dennoch gibt es Lösungsansätze. Nachhaltigkeit ist keine Frage des Alters oder einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Jeder ist aufgerufen, regional- und saisonal einzukaufen, das Fahrrad für Stadtfahrten anstelle des Autos zu nutzen, die Bahn anstelle des Flugzeugs zu nehmen oder Müll und Abfall zu reduzieren. Man kann sich auch in die Politik einbringen und Programme zu Nachhaltigkeitskonzepten sachlich-kritisch bewerten. „Wenn wir warten, dass andere etwas bewegen, wird sich nichts tun“, sagte Rohlmann. Er plädiert dafür, dass jeder Einzelne mit gutem Beispiel vorangeht.
Bevor Pfarrer Schröder den Schlusssegen spendete, griff Jensen noch einmal in die Saiten und spielte ganz im Einklang mit Rohlmanns Vortrag und der Publikumsdiskussion „Your Life Needs A Change.“ Viele Dinge im Leben lassen sich nicht ändern oder beeinflussen, doch wir tolerieren auch Dinge, die nicht so sein müssen. Das gilt vor allem beim Thema „Nachhaltigkeit“. Jensen betont: „Wir haben die Möglichkeit, unsere Zukunft selber zu gestalten.“
Text: R. Nix