Bei sonnigem Maiwetter hatten die drei Kirchenkreise im Münsterland am Himmelfahrtstag zu einem spannenden Gottesdienst in die Lukaskirche Münster eingeladen. Im Mittelpunkt stand die Menschenwürde.
Superintendent Holger Erdmann (Kirchenkreis Münster), Superintendentin Susanne Falcke (Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken) und Superintendent André Ost (Kirchenkreis Tecklenburg) hatten den Gottesdienst gemeinsam mit Stefan Querl, Leiter des Geschichtsorts Villa ten Hompel in Münster, vorbereitet. Ursprünglich war Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, früherer Präsident des Bundesverfassungsgerichts und heutiger Vorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ als Talkgast eingeplant. Doch leider erkrankte er akut und konnte nicht teilnehmen. So übernahm Stefan Querl kurzerhand die Kanzelrede zum Thema.
„Der auferstandene Jesus war für seine Jünger nicht sichtbar, aber spürbar“, so begann Superintendent Holger Erdmann den Gottesdienst am Himmelfahrtstag. Er sei stolz, dass Artikel 1, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, Teil des Grundgesetzes sei. „Die Menschenwürde steht an erster Stelle“, betonte er. Dies sei heute wichtiger denn je. Aktueller hätte das Thema des Gottesdienstes nicht gesetzt sein können: Die Demokratie ist bedroht. Angriffe auf Migranten, Jüdinnen und Juden, Andersdenkende und Politiker machen täglich Schlagzeilen. Am 8. Mai jährt sich zum 75. Mal die Verabschiedung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Es trat am 23. Mai 1949 in Kraft. Die Unterzeichnung markiert einen neuen Abschnitt in der deutschen Geschichte. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes legten Wert darauf, aus der Vergangenheit der NS-Diktatur zu lernen.
„Die Präambel des Grundgesetzes regt uns zum Nachdenken an, und wir Protestanten sollten das heute tun“, rezitierte Stefan Querl in seiner Kanzelrede Gedanken von Andreas Voßkuhle. Adolf Hitler habe das Matthäus-Wort „Gott mit uns“ pervertiert. Es stand auf den Koppelschlössern deutscher Soldaten in beiden deutschen Weltkriegen. Querl nahm auf den von Superintendentin Susanne Falcke vorgetragenen Predigttext aus Matthäus 7,12-20 Bezug, in dem von den „Wölfen im Schafspelz“ die Rede ist. Er warnte vor Hass auf Fremde, Angriffe auf die Polizei, Rettungskräfte und Politiker.
„Demokratiearbeit, wie sie in Münster mit Herz und Verstand betrieben wird, ist gerade heute notwendiger denn je“, meinte er. Ein gutes Beispiel dafür sei der Geschichtsort Villa ten Hompel. Die ehemalige Fabrikantenvilla - Sitz der Ordnungspolizei im Nationalsozialismus und anschließend Ort der Entnazifizierung und Dezernat für Wiedergutmachung im Nachkriegsdeutschland - bietet heute Raum für die Auseinandersetzung mit geschichtlichen und aktuellen Themen zwischen Erinnerungskultur und Demokratieförderung für Schülerinnen und Schüler, Polizisten und andere interessierte Gruppen. „Demokratie braucht Erinnerung – Let´s face it“, so das Credo von Prof. Dr. Andreas Voßkuhle und Stefan Querl.
Superintendent André Ost las in der Eingangsliturgie Psalm 8, der die Würde des Menschen als von Gott verliehen beschreibt. Im anschließenden Sündenbekenntnis bat er darum, den Blick für die Menschenwürde des Anderen zu schärfen.
Im Fürbittengebet plädierten Susanne Falcke und Holger Erdmann dafür, die Würde der Mitmenschen zu verteidigen und sensibel für das Miteinander zu werden. Im Blick auf Antijudaismus, Hassparolen und die Angriffe auf Menschen, die sich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsetzen, beteten beide für gegenseitige Offenheit, Freiheit und mehr Gemeinsinn.
Mit Leichtigkeit und Virtuosität gestalteten Hans Werner Scharnowski (E-Piano) und Carsten Haack (Gitarre) den Gottesdienst. Die gesammelte Kollekte ist für Aufgaben der Weltmission und für den Verein „Gegen Vergessen - Für Demokratie“ bestimmt.
Informationen zum Bildungsort Villa ten Hompel
Liturgie des Gottesdienstes
Text: Christine Fernkorn/Kirchenkreis Tecklenburg