Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken Pressemitteilung

Kirche als Navigationssystem

Auf dem Neujahrsempfang des Evangelischen Kirchenkreises spricht Grünen-Politikerin Sigrid Beer über das Verhältnis von Kirche und Politik.

Grünen-Politikerin Sigrid Beer forderte die Kirchen im Westmünsterland zu stärkerem politischen Engagement.

Insbesondere die Flüchtlingspolitik im Land entzündete Fragen und Kommentare unter den Gästen. Pfarrer Edgar Wehmeier moderierte die Runde.

Eine klare Antwort lieferte am Sonntag, 26. Januar, die Grünen-Politikerin Sigrid Beer auf die Überschrift des Neujahrsempfangs des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken. Auf Einladung des Fachbereichs Erziehung und Bildung im flächengrößten Kirchenkreis auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche von Westfalen gingen rund 80 Gäste aus Kirche, Politik, Kultur und Bildung in der Evangelischen Jugendbildungsstätte Nordwalde der Frage nach, ob sich Kirchen in Deutschland politisch einmischen sollten. Landespolitikerin Beer, zugleich ehrenamtliches Mitglied der westfälischen Kirchenleitung, forderte die Kirchenvertreter im westlichen Münsterland auf, das Evangelium ernst zu nehmen und sich an die Seite der Schwachen zu stellen. Beer wünscht sich ein Einmischen der Kirchen beispielsweise in der Flüchtlingspolitik, in der Pflegediskussion oder bei Kinder- und Altersarmut. „All das sind Diskussionsfelder, in denen die Stimme der Kirche gefragt ist“, sagte Beer. Mit dem Motto „Streitbar! Sollen/müssen/dürfen sich die Kirchen einmischen?“ eröffnete der Evangelische Kirchenkreis zugleich das Themenjahr „Reformation und Politik“.

Mit der Jahreslosung „Gott nahe zu sein ist mein Glück“ (Psalm 73,28) begrüßte Superintendent Joachim Anicker die zahlreichen Gäste in der Jugendbildungsstätte. Nach den Worten des leitenden Theologen des Kirchenkreises hätten Projekte an Schulen gezeigt, dass Glück erlernbar sei. „Des Glückes Feind ist nicht das Unglück, sondern die Bequemlichkeit“, stellte Anicker fest. Die Übernahme von Verantwortung könne das Glücksgefühl ebenso steigern wie der Glaube. „Das Glück geliebt zu werden, ist bereits in der Taufe verwurzelt“, so Anicker weiter. Mit Sigrid Beer hatte der Fachbereich Erziehung und Bildung anschließend eine grüne Landespolitikerin eingeladen, die mit ihrem Blick sowohl Politik als auch kirchliches Leben einfing. Für das ehrenamtliche Mitglied der westfälischen Kirchenleitung ist die von Martin Luther 1517 eingeleitete Reformation auch heute noch hochaktuell. So habe bereits Luther den „Mammon“ als den „Abgott“ beschrieben, der auf der Welt am weitesten verbreitet sei. „Sich nicht imponieren lassen vom Machtgehabe, das ist die Freiheit des Christenmenschen“, meinte Beer. Vor diesem Hintergrund sollten sich die Kirchen in Deutschland auch weiterhin einbringen in politische und ethische Debatten. Schließlich beschrieb Beer die religiöse Orientierung im christlichen Glauben als das „Navigationssysteme“ der Kirchen.

Flüchtlingspolitik oder die Geringschätzung pflegender Berufe beschäftigen Beer

Die Landespolitikerin kritisierte vor den Gästen des kreiskirchlichen Neujahrsempfangs die begrenzte Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland ebenso wie die Geringschätzung der Pflegeberufe vielerorts. Insbesondere die Flüchtlingspolitik im Land entzündete Fragen und Kommentare unter den Gästen. Beer berichtete von einem syrischen Familienvater, den der Wunsch nach Sicherheit in die Bundesrepublik führte. Seine Ehefrau und zwei Kinder seien in ein Nachbarland geflohen. Über Wochen und Monate hinweg prüfe die deutsche Botschaft die Familienmitglieder, ehe eine Einreise gestattet würde. „Das ist unmenschlich. Wir können mehr als 5.000 Flüchtlinge aus Syrien verkraften“, kritisierte Beer.

Mit dem Neujahrsempfang eröffnete der Evangelische Kirchenkreis auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 das nächste Themenjahr. Nach dem Jahr der Toleranz 2013 befassen sich die Kirchengemeinden und kreiskirchlichen Ämter, Dienste und Werke im Westmünsterland in diesem Jahr mit der Überschrift „Reformation und Politik“. Bis zum Jahresende stehen zahlreiche Vorträge, Diskussionsveranstaltungen und Themengottesdienste auf dem Programm.

www.jahr-der-politik.de