Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Kilometer tiefe Abgründe überwinden

In Emsdetten diskutieren der Kreis Steinfurt, interessierte Bürger sowie die christlichen Kirchen im Münsterland über praktischen Klimaschutz.

Neben Superintendent André Ost und Kreisdechant Markus Dördelmann berichtete Joachim Anicker, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, von den Anstrengungen der Evangelischen Kirche für Klimaschutz.

Der Mensch ist ein hervorragender Baumeister: Von den ägyptischen Pyramiden bis zum Petersdom in Rom schufen Menschen in allen Jahrhunderten imposante Bauten. Aber auch im Kleinen vermögen die Menschen gewaltige Werke zu vollbringen. „Denken Sie an die Diskrepanz zwischen Wollen und Handeln“, meint Volker Rotthauwe im Lichthof von Stroetmanns Fabrik in Emsdetten. „Hier heben wir oftmals Kilometer tiefe Abgründe aus, um das Bewusste nicht in die Tat umsetzen zu müssen“, so der Pfarrer für Nachhaltige Entwicklung der Evangelischen Kirche von Westfalen weiter. Anlässlich des Vortrags- und Diskussionsabends „Schöpfung bewahren – nachhaltig handeln“ fragte der Theologe aus Münster nach den Beharrungs- und Hinderungskräften, die einen effektiveren Umwelt- und Klimaschutz im Alltag oftmals ausbremsen. Im Rahmen des Projektes „Energieland 2050“ hatte der Kreis Steinfurt Anfang Dezember zu dem Austausch zwischen Kirche, Kommunen und interessierten Bürgern eingeladen.

Großes Interesse an Austausch zwischen Kirchen und Kommunen

„Und die Hütte ist voll“, konsternierte Landrat Thomas Kubendorff zu Beginn des Diskussionsabends. Über 100 Gäste waren nach Emsdetten gekommen, unter ihnen Gemeindeglieder, Landwirte und Naturschützer. Annähernd drei Stunden beteiligten sie sich an einer regen Diskussion mit Theologe Rotthauwe, Ulrich Ahlke, Leiter des 1999 gegründeten Amtes für Klimaschutz und Nachhaltigkeit des Kreises Steinfurt sowie der Ökonomin Prof. Dr. Petra Teitscheid vom Fachbereich Oecotrophologie an der Fachhochschule Münster. Mit dem bewegenden Beispiel der kleinen Axia führte die Wissenschaftlerin die Gäste in die Folgen und Grenzen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems ein. Das kleine Mädchen im südamerikanischen Argentinien leidet unter den Folgen von Pestiziden auf riesigen Soja-Plantagen. Das Soja wiederum gelangt meist als Futtermittel nach Europa. Der Wohlstand und die Konzepte eines nachhaltigen Wirtschaftens in den westlichen Industrienationen seien bei dem kleinen Mädchen noch nicht angekommen, obschon die Ökonomie heute weltweit operiere. Teitscheid spitzte das Beispiel auf die These zu: „Das herrschende ökonomische Denken führt zwingend zur Ausbeutung von Mensch und Natur“.

Und mehr noch: „Das eigene Konsumhandeln verfestigt dieses System noch“, rief Teitscheid den Anwesenden zu. „Diesem Denken einer klassischen Ökonomie nach Adam Smith müssen wir Werte-Räume entgegenstellen“, so das Plädoyer der Wissenschaftlerin. Werteräume regte auch Rotthauwe in einem kurzweiligen Vortrag an. „Wir benötigen für eine nachhaltige Lebensweise nicht weniger als einen Wandel unserer Identität“, befand der Theologe. Letztlich gehe es um ein Enkel gerechtes Miteinander. „Dabei müssen wir eben oftmals einen Abgrund zwischen Wollen und Handeln überbrücken“, meint Rotthauwe, der bis Ende 2013 die Evangelische Jugendbildungsstätte in Nordwalde leitete. Eine praktisch ausgerichtete Bildung könne hier Brücken bauen.

Erste Schritte zu einem praktischen Klimaschutz sieht Superintendent Joachim Anicker auch bei den christlichen Kirchen. So berichtete der leitende Theologe des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken von jüngst verabschiedeten Standards für eine öko-faire Beschaffung im Kirchenkreis.

Praktische Programme und positive Anreize wichtig

Elementar seien nach den Worten von Anicker praktische Programme, mit positiven Anreizen. „Es muss weh tun oder große Freude bereiten, dann bewegen wir uns“, so der Theologe. Von guten Anfängen im Evangelischen Kirchenkreis Tecklenburg berichtete Superintendent André Ost. „Hier bleibt aber noch viel zu tun, auch in unseren Kirchengemeinden“, mahnte Ost. Zudem brauche es in Zukunft eine Ethik des Genug. Hier müsse die gesamte Gesellschaft miteinander ins Gespräch kommen. „Klimaschutz ist Glaubenssache“, meinte denn auch Kreisdechant Markus Dördelmann von der Katholischen Kirche im Kreis Steinfurt und berichtete von der Einführung fair gehandelter Produkte. „Einfach machen!“, riet Dördelmann den Zuhörenden.

Den Beginn eines Paradigmenwechsels skizzierte abschließend Ulrich Ahlke vom Kreis Steinfurt. Mit dem Projekt „Energieland 2050“ sowie zahlreichen Teilprojekten – vom Landstrom über die Klimaschutz-Botschafter bis zu einem Solarkataster – engagiert sich der Kreis Steinfurt für den regionalen Klimaschutz. Hierbei sei eine breite Diskussion über Werte wichtig, meinte Ahlke. Gerade hier seien die christlichen Kirchen als Begleiter und Impulsgeber willkommen. 

www.energieland2050.de