Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Lehren ziehen aus Flucht und Vertreibung

In Coesfeld-Lette zeigt die Evangelische Kirchengemeinde Coesfeld eine Wanderausstellung über das Ankommen evangelischer Christen im Münsterland.

„Mak’t uap! Loat rin!“, dichtete 1945 der Münsteraner Schriftsteller Theo Breider (1903-1993). Mit seinem Gedicht appellierte der Autor an seine Landsleute im Münsterland, den vielen oftmals evangelischen Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Tür und Tor zu öffnen.

Im Themenjahr „Reformation und Toleranz“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) fragt jetzt eine Wanderausstellung des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken nach dem oftmals schwierigen Ankommen evangelischer Christen in Coesfeld nach 1945. Unter der Überschrift „Aus Erinnerung erwächst Verantwortung“ weist die Schau auf das Schicksal zahlreicher Flüchtlinge und Vertriebener aus Schlesien, Pommern oder Ostpreußen hin.

Seit Sonntag, 30. März, ist die Ausstellung für rund zwei Wochen in Coesfeld-Lette zu sehen. Am Mittwoch, 2. April, sowie am Sonntag, 6. April, laden jeweils um 15 Uhr Erzählnachmittage und Führungen zu der Ausstellung ein.

Die Ankunft der Vertriebenen im Westen sollte das konfessionelle Antlitz Deutschlands verändern wie seit Reformation und Dreißigjährigem Krieg nicht mehr“, stellt der Historiker Andreas Kossert in seinem Buch „Kalte Heimat“ fest. So fanden zahlreiche Flüchtlinge und Vertriebene nach 1945 im katholisch geprägten Münsterland eine neue Heimat. Mit den wenigen Habseligkeiten brachten viele Heimatlose ihren evangelischen Glauben in die Region. In der Folge entstanden in zahlreichen Kommunen des Münsterlandes erstmals protestantische Kirchengemeinden. „Wir blicken mit der erfolgreichen Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen heute auf eine wirkliche Erfolgsgeschichte zurück“, sagt Superintendent Joachim Anicker. „Im Münsterland ist das kirchliche Leben heute weithin geprägt von einer selbstverständlichen Ökumene in unseren Gemeinden“, so der leitende Theologe des flächengrößten Kirchenkreises auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche von Westfalen weiter. „Diese ist – nach seinerzeit schweren Jahren des Neuanfangs und teils schmerzlich erlebter Ablehnung – meist das Ergebnis allmählicher Annäherung in kleinen Schritten und nicht zuletzt mancher ökumenischer Trauung.“

Vorurteile und Ängste nach 1945: „Evangelische Ratten, Pisspott im Nacken“

Mit der Ausstellung „Aus Erinnerung erwächst Verantwortung“ zeichnet der Kirchenkreis die Geschichte der evangelischen Neuankömmlinge im Münsterland nach. Aus Berichten von Zeitzeugen, Archivrecherchen und Gesprächen entsteht ein differenziertes Bild zwischen Vorurteilen, Ängsten und einem gelungenen Miteinander von Alteingesessenen und Neuankömmlingen. Längst vergessen scheinen heute Beschimpfungen und Vorurteile wie „Evangelische Flüchtlingsschweine“ oder „Evangelische Ratten, Pisspott im Nacken“. „Aus der Erfahrung, dass auch wir einst Heimatlose und Vertriebene waren, können wir im ‚Jahr der Toleranz‘ Brücken bauen in die Gegenwart“, meint Anicker. So könnten die Erfahrung aus Flucht und Vertreibung sowie das Erlebnis einer neuen Heimat im Münsterland helfen, auch heute menschenwürdig und offen auf Flüchtlinge, beispielsweise aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan, zuzugehen. „Unsere Erinnerung lässt uns heute unsere Verantwortung erkennen“, so der Theologe weiter.

Zahlreiche Ehrenamtliche aus den Kreisen Borken, Coesfeld und Steinfurt trugen in den zurückliegenden Monaten Fotos und Erinnerungen zusammen. Für interessierte Schulklassen hat der Kirchenkreis Arbeitsmaterialien und Fragebögen erstellt. Weitere Informationen und Ausstellungstermine im Internet unter www.der-kirchenkreis.de. Rückfragen für die Ausstellung in Coesfeld-Lette beantwortet Helga Nikisch unter Telefon 02546-7235.

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