Seelennahrung Impuls für jeden Monat

Der Impuls von Dezember stammt von Dr. Esther Sühling, Prädikantin, Billerbeck
Licht im Dunkel - und Dunkel im Licht
Seit meiner Kindheit begleitet mich dieser Satz aus dem Johannesevangelium:
In ihm war das Leben, und dieses Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis…
Er war für mich immer wie ein Versprechen: Jesus Christus ist das Licht der Welt. Wer ihm folgt, findet Licht zum Leben.
Lange habe ich dieses Licht so verstanden, dass es das Dunkel vertreiben muss. Als wäre Dunkelheit etwas Bedrohliches, etwas, das man überwinden muss. Etwas Böses. Und manchmal kam ich mir fast falsch vor, weil ich das Dunkel mochte. Dieses tiefe, schützende Dunkel, in das ich mich einkuscheln kann. Eine einzige Kerze, die gerade genug Licht gibt. Das Flackern eines Kaminfeuers. Der Tannenbaum mit seinen Lichtern, die erst im Dunkeln wirklich zu leuchten beginnen.
Irgendwann habe ich gemerkt: Das Dunkel ist nicht der Feind. Es ist Teil des Lebens. Teil der Schöpfung. Gott hat Tag und Nacht geschaffen – beides gut, beides notwendig. Und an einer Stelle der Bibel heißt es sogar, dass Mose sich dem „dichten Dunkel“ näherte, in dem Gott war. Nicht außerhalb. Nicht jenseits. Mittendrin.
Seitdem schaue ich anders in die Nacht. Ich sehe die Sterne, die nur sichtbar werden, wenn es dunkel ist. Ich spüre, wie meine Augen Ruhe finden, wenn sie nicht ständig vom Hellen gefordert werden. Ich entdecke Konturen, die nur im Wechselspiel von Licht und Schatten entstehen.
Und ich ahne: Gott ist nicht nur im Strahlenden, im Offenen, im Hellen.
Gott ist auch im Verborgenen, im Stillen, im Dunklen.
Vielleicht sogar gerade dort.
Und diese Erkenntnis trägt mich inzwischen durch viele Tage:
dass das Licht nicht gekommen ist, um die Dunkelheit zu besiegen,
sondern um sie zu erhellen.
Und dass erst beides zusammen das Leben auf dieser Erde formt –
auch mein eigenes.
