Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

„Wenn wir uns kennen, können wir uns nicht hassen“

Der angehende Münsteraner Rabbiner Levi Israel Ufferfilge war in Ahaus zu Gast

Levi Israel Ufferfilge. Foto: E. Meisel-Kemper

Offen zeigt Levi Israel Ufferfilge seinen jüdischen Glauben durch das Tragen der Kippa. Er tut es aus Stolz auf seine Religion und vor allem aus Überzeugung. Das Buch „Nicht ohne meine Kippa! Mein Alltag in Deutschland zwischen Klischees und Antisemitismus“ ist das Ergebnis seiner positiven und negativen Erlebnisse, die er als Tagebuch aufzeichnete. Auf Einladung der Erwachsenenbildung im Evangelischen Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken las der angehende Rabbiner von Münster zu Gast im Karl-Leisner-Haus in Ahaus.

1988 wurde Ufferfilge als deutscher Jude in Rahden bei Minden geboren. „Das ist ein unjüdischer Ort. Jüdisches Leben hat sehr weit weg stattgefunden", betonte Ufferfilge. Jüdische Wörter wurden durch die Shoa ausgelöscht und gerieten in Vergessenheit. „Verloren gegangene Wörter haben keine Grabsteine oder Mahnmale“, so Ufferfilge. Und nannte eines von vielen Beispielen: „Früher nannten Juden ihre Kultusgemeinden Aulem, das hebräisch Wort für Welt (olam). Das kennen nur noch ältere Juden.“

Von Kindheit an widerfuhr Ufferfilge Ablehnung und Feindschaft aufgrund seiner jüdischen Religion und Kultur. In der ostwestfälischen Umgebung, in der Ufferfilge aufwuchs, waren es vor allem die Prediger der Freikirchen, die von den „Juden mit verlorenem Seelenheil“ schwadronierten, „die in Synagogen den Teufel anbeten würden“. Aus der Zeit seines Studiums in Düsseldorf berichtet er: „Ich musste früh lernen, dass in jedem Stadtteil, auf jedem Weg, an jedem Ort Hass auf mich warten konnte.“ So ging es ihm mit einem griechischen Nachbarn, der betonte, dass er Grieche sei und die Deutschen keinen guten, weil nicht vollständigen Job mit der Vernichtung der Juden gemacht hätten. Ein anderer Vorfall betrifft den Heimweg nach einem Kinobesuch, auf dem arabische Jugendliche – auf die Kippa aufmerksam geworden – ihm und seinen Begleitern folgten, antisemitische Beleidigungen riefen und Glasflaschen aus dem Mülleimer nach ihnen warfen. „Der Polizist, dem ich von diesem Vorfall berichtete, sagte, dass die Beleidigungen womöglich gar nicht antisemitisch gewesen seien, sondern nur ganz allgemein „Jude“ als Schimpfwort beinhalteten. Antisemitismus in Deutschland hat viele Gesichter. Ufferfilge berichtet von vermehrtem Judenhass, wenn der Nahostkonflikt neu aufflammt. Währen des Gaza-Konflikts im Jahr 2014 wurde er im Supermarkt beschimpft: „Ihr Scheißjuden seid alle Kindermörder!“
„Das Wichtigste ist gegenseitiges Kennenlernen. Wenn wir uns kennen, können wir uns nicht hassen“, antwortete Ufferfilge auf die Frage, was die deutsche Gesellschaft dagegensetzen könnte.

Viele jüdische Gemeinden in Deutschland seien nach dem Zweiten Weltkrieg durch eingewanderte Juden aus den Länder der ehemaligen UdSSR, Polen und der Ukraine angewachsen. Das hat der angehende Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Münster auch dort beobachtet. Knapp 600 Mitglieder zähle die Gemeinde in Münster aktuell.

Text: E. Meisel-Kemper