Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Kita-Sprachförderprogramm soll Freude am Sprechen wecken und Schulstart erleichtern

Borken - Im „Wölkchenzimmer“ ist was los. Wo sonst die jüngsten Besucher der Friederike-Fliedner-Kindertagesstätte in Borken ihren Mittagsschlaf halten, wird heute ein Raumschiff gebaut.

Im „Wölkchenzimmer“ wird mit Claudia Bajonczak nicht nur viel gebastelt, sondern auch viel erzählt. Anastasia (6), Lukas (6) und Phil (4) sind voll bei der Sache.

Kita-Leiterin Katrin Rave sieht in dem Sprachförderprogramm eine große Chance für die Kinder.

Anastasia (6), Lukas (6) und Phil (4) sind mit Feuereifer bei der Sache. Sie geben ihrem Weltraumgefährt gerade den letzten Anstrich. Erzieherin Claudia Bajonczak ist mittendrin. Gezielt animiert sie die Kleinen zum Gespräch, sie lobt, fragt immer wieder nach und verbessert, wenn die Sätze manchmal etwas holprig aus den kleinen Mündern kommen.

Was so spielerisch aussieht, hat einen ernsthaften pädagogischen Hintergrund: Claudia Bajonczak arbeitet in der evangelischen Kindertagesstätte als Fachkraft für Sprachförderung. Ihr Job ist es, bei den Kindern möglichst spielerisch die Freude am Sprechen zu wecken. „Und da greifen wir immer wieder auch Themen auf, die unsere Kinder gerade beschäftigen“, erklärt sie. Das sei in diesem Fall eben das Thema Weltraum: „Wenn die Kinder etwas fasziniert, sprechen sie viel mehr“, weiß die Erzieherin. In Kleingruppen und im Freispiel versucht Bajonczak, dieses Mitteilungsbedürfnis so zu lenken, dass die Kinder möglichst klar und fehlerfrei zu sprechen lernen. Den roten Faden bildet für sie dabei das Sprachförderkonzept „Deutsch für den Schulstart“, das an der Uni Heidelberg speziell für Kindergärten entwickelt wurde, die vorwiegend von Kindern mit Migrationshintergrund besucht werden. Und das ist in der Friederike-Fliedner-Kindertagesstätte der Fall: Für 27 der 41 Kinder ist Deutsch nicht Muttersprache. Sie stammen vor allem aus Spätaussiedlerfamilien.

Finanziert wird Claudia Bajonczaks Halbtagsstelle im Rahmen des bundesweiten Förderprogramms „Offensive Frühe Chancen“. Bis zu 4.000 Einrichtungen sollen mit dieser Initiative des Bundesfamilienministeriums zu „Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ ausgebaut werden. Ausgehend von der Erkenntnis, dass Sprachförderung der Schlüssel zu Integration und Bildungsaufstieg ist, werden die geförderten Einrichtungen befähigt, intensiv am Sprachvermögen der Kinder zu arbeiten. Die Kita in Borken gehört zu den ersten 3.000 Kindergärten, die von diesem Programm profitieren. Neben einem Personalkostenzuschuss von 25.000 Euro pro Jahr gibt es einen Sachkostenzuschuss von 5.000 Euro, mit dem zum Beispiel Räume hergerichtet oder Sprach-Lernspiele angeschafft werden können.

Für Kita-Leiterin  Katrin Rave ist die Teilnahme an dem Förderprogramm ein Glücksfall: „Wir haben hier schon vorher großen Wert auf Sprachförderung gelegt, aber jetzt können wir natürlich viel intensiver mit den Kindern arbeiten“, freut sie sich. Seit dem Start der Förderphase am 1. März dieses Jahres herrsche in der Kita Aufbruchstimmung, so Rave: „Wir sind unheimlich stolz, dass wir dabei sind und sehen das als Riesen-Chance für unsere Kinder.“

Sprachförderbedarf, da sind sich die Erzieherinnen einig, besteht nicht nur bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund. „Man kann schon sagen, dass die Sprache bei Kindern heute im allgemeinen eingeschränkt ist“, hat Bajonczak festgestellt. Die Gründe sind schnell genannt: Wenn Kinder vielfach vor dem Fernseher geparkt werden oder sich mit Computerspielen beschäftigen, statt mit Freunden durch den Wald zu streifen, leidet die Kommunikation. Hinzu komme die Schnelllebigkeit des Alltags, so Bajonczak: „Wo beide Eltern berufstätig sind, muss oft alles sehr schnell gehen. Da bleiben dann gemeinsame Gespräche auf der Strecke.“

In der Kita bemüht man sich, diese Defizite auszugleichen. Das Ziel ist dabei klar umrissen: „Wir wollen, dass unsere Kinder mit Migrationshintergrund die gleichen Chancen in der Schule haben wie die Kinder, bei denen Deutsch Muttersprache ist“, erklärt Katrin Rave. Wie wertvoll die Intensivförderung dafür ist, wird man spätestens nach Ablauf des zunächst auf drei Jahre angelegten Förderprogramms wissen. Ein Erfolg steht allerdings jetzt schon fest: „In den Kleingruppen ergeben sich teilweise unheimlich witzige und phantasievolle Gespräche“, schmunzelt Claudia Bajonczak. Und daran haben nicht nur die Kinder, sondern auch die Erziehrinnen ihren Spaß.

Kay Müller