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Großer Bahnhof für ein „neues altes“ Geläut

Glocken der abgerissenen Gronauer Erlöserkirche erklingen ab Ostern in Epe

Pfarrerin Bettina Roth-Tyburski und Pfarrer Marcus Tyburski nehmen die Glocken in Empfang.

Walter Wahlbrink, ehemaliger Pfarrer der Erlöserkirche und späterer Superintendent, erinnert an den ersten Einzug der Glocken im Jahr 1958.

Kinder der Astrid-Lindgren-Kindertagesstätte empfangen die Glocken mit selbst gebastelten Schildern und einem Gedicht.

Viele Besucher nutzen die Gelegenheit, die Glocken noch einmal aus der Nähe zu betrachten, bevor sie im Turm „verschwinden“

Gronau-Epe - Walter Wahlbrink mag seine Rührung nicht verbergen. Als Pfarrer der Erlöserkirche in Gronau durfte er 1958 miterleben, wie drei neue Bronzeglocken für seine Kirche gegossen und in einem triumphalen Festzug nach Gronau gebracht wurden. Die Erlöserkirche ist inzwischen Geschichte. Sie wurde vor vier Jahren abgerissen. Für die alten Glocken der Kirche gibt es jetzt jedoch eine neue Aufgabe: In der evangelischen Kirche in Gronau-Epe werden sie die Gläubigen künftig zum Gottesdienst rufen. „Und dass ich das heute miterleben darf, davon bin ich überwältigt“, gesteht der 83-jährige Wahlbrink bei der Ankunft der Glocken in Epe am 10. April.

Ein großer Bahnhof ist dem Geläut auch an diesem Morgen gewiss: Begleitet vom Spielmannszug und bei strahlendem Sonnenschein von vielen Gemeindemitgliedern freudig begrüßt, rollen die drei Bronzeglocken auf einem festlich geschmückten Anhänger auf den Platz vor der Kirche. Die Älteren unter den Anwesenden mögen sich durchaus an jenen Tag vor über 50 Jahren erinnert fühlen, als das Geläut mit einem feierlichen Umzug in Gronau begrüßt wurden. Nur sei damals alles ein paar Nummern größer gewesen, erinnert sich Wahlbrink: „Es war die größte Demonstration, die Gronau jemals gesehen hat“, schwärmt er von dem ein Kilometer langen Festumzug und zeigt großformatige Schwarzweißfotos, auf denen dieser besondere Tag festgehalten ist.

Ein besonderes Ereignis sei die Ankunft der Glocken 50 Jahre später auch für die evangelischen Christen in Epe, betonen Pfarrerin Bettina Roth-Tyburski und Pfarrer Marcus Tyburski im Namen der evangelischen Kirchengemeinde. „Die Glocken kehren jetzt zurück in ihre Heimatstadt, wenn auch in einen anderen Teil der Stadt“, so Marcus Tyburski.

Dass es dazu überhaupt kommen konnte, ist der Initiative des Evangelisch-kirchlichen Männerdienstes (EKMD) zu verdanken. Der EKMD hatte die Glocken 1958 für die Erlöserkirche im damals aufblühenden Gronauer Stadtwesten gestiftet. Als die Kirche vor vier Jahren aufgegeben werden musste, sollten die Glocken auf jeden Fall in Gronau bleiben. „Es wäre zu schade gewesen, wenn sie weggekommen wären“, erinnert sich EKMD-Vorsitzender Bernhard Vorrink. Als sich die Gelegenheit bot, sie in Epe weiter zu verwenden, wurde eine Spendenaktion gestartet, um die Kosten für den Neubau des Glockenstuhls in Höhe von 31.400 Euro aufzubringen. „Für mich ist es ein großes Erlebnis, dass die Glocken jetzt hier in Gronau bleiben können“, sagt Vorrink. All die Mühe habe sich gelohnt.

„Fürchtet Gott“, „Habt die Brüder lieb“ und „Tut Ehre jedermann“ mahnen die Inschriften auf den drei Glocken. Pfarrer Marcus Tyburski deutet sie als Aufforderungen zu Gottesliebe, Ökumene und Toleranz. Bei aller Freude dürfe der Dank für die alte Glocke nicht vergessen werden, meint der Pfarrer: „In 100 Jahren des Bestehens unserer Kirche hat sie ihren guten Dienst getan.“ Die alte Stahlglocke wird im Tausch gegen die Glocken der Erlöserkirche demontiert. Sie soll einen Ehrenplatz auf dem Gelände des Diakonischen Werkes erhalten.

„Danke für diese neuen Glocken, danke für ihren schönen Klang, danke, dass sie in Epe läuten viele Jahre lang“, erklingt es in Abwandlung des bekannten Kirchenliedes vielstimmig zum Abschluss der Begrüßungsfeier. Viele Besucher nutzen noch die Gelegenheit, die drei Glocken noch einmal aus der Nähe zu betrachten, ehe sie im Kirchturm „verschwinden“ und das „neue alte“ Geläut ab Ostern wieder zu hören ist.

Kay Müller