Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken Pressemitteilung

Mit Spannungen weiter leben

In Gronau diskutieren Landeskirchenrat Dr. Vicco von Bülow und Superintendent Joachim Anicker auf Einladung der Evangelischen Kirchengemeinde die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.

Foto: Elvira Meisel-Kemper

Wenn lesbische oder schwule Paare den Wunsch nach einer Segnung ihrer Partnerschaft im kirchlichen Rahmen äußern, gibt es darauf in der Evangelischen Kirche in Deutschland keine eindeutige Antwort. Die 22 Landeskirchen in Deutschland haben bis heute teils unterschiedliche Regelungen geschaffen. In einer offenen Diskussion befindet sich derzeit noch die Evangelische Kirche von Westfalen (EkvW). Schon heute sind in der westfälischen Landeskirche Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare unter besonderen Bedingungen möglich. Ein Diskussionsabend der Evangelischen Kirchengemeinde Gronau fragte am gestrigen Dienstag, 23. Oktober, nach Möglichkeiten und Grenzen der Segnung schwuler und lesbischer Paare in der Evangelischen Kirche. Auf Einladung der Kirchengemeinde diskutierten Landeskirchenrat Dr. Vicco von Bülow von der EKvW und Joachim Anicker, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, im Walter-Thiemann-Haus vor rund zwei Dutzend Gästen die Segensfrage.

Segengsanfrage bildete Anstoß für Diskussionsabend

Die Segnung eines schwulen Paares vor rund einem Jahr bildete den Anstoß zu dem Diskussionsabend in der Evangelischen Kirchengemeinde Gronau. Der Theologische Ausschuss der Gemeinde hatte 2011 beschlossen, die Segensfeier in Anlehnung an die landeskirchliche Diskussion außerhalb des Gottesdienstes zu ermöglichen. Fragen von Gemeindegliedern nach dem gegenwärtigen Diskussionsstand in der Landeskirche waren die Folge. Im Walter-Thiemann-Haus gaben von Bülow und Anicker jetzt Antworten und ordneten die Diskussion theologisch ein. Angesprochen auf Sexualität in der Bibel konstatierte Superintendent Anicker, dass der Ehe zwischen Mann und Frau eine Leitbildfunktion zukomme. Homosexualität werde in der Bibel, ergänzte von Bülow, dagegen abgelehnt, beispielsweise von Paulus im Römerbrief 1, 26. In Jesu Verkündigung würden gleichgeschlechtliche Handlungen hingegen nicht thematisiert. Dennoch müsse man die Bibel heute differenzierter sehen vor dem Hintergrund ihrer Entstehungszeit. „Unsere Kirche besteht im Jetzt“, so Anicker.

In den Kirchengemeinden lebten, da waren sich Anicker und von Bülow einig, sowohl Heterosexuelle wie Homosexuelle unter dem Zuspruch und Anspruch des Evangeliums. Eine christliche Lebensführung habe ihren Ausgangspunkt nicht in zu befolgenden Geboten oder Verboten, sondern gründete im Geschenk der Annahme durch Gott. Aus dem biblischen Befund schlossen Anicker und von Bülow, dass homosexuelle ebenso wie heterosexuelle Partnerschaften an den Kriterien einer vom Liebesgebot her gestalteten Beziehung zu messen seien: an Freiwilligkeit, Ganzheitlichkeit, Verbindlichkeit, Dauer, Partnerschaftlichkeit und gegenseitiger Fürsorge.

Kontroverse Diskussion innerhalb der EKD

Innerhalb der EKD werde die Frage nach der Segnung homosexueller Paare sehr unterschiedlich beantwortet, erklärte der Landeskirchenrat, bis 2011 noch Theologischer Referent im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gemeinsam mit Anicker hielt von Bülow eine weitere, differenzierte Diskussion für unerlässlich. „Beide Seiten müssen bereit sein, Kompromisse einzugehen“, mahnte von Bülow Gegner und Befürworter. Bis dahin seien die Kirchengemeinden dazu aufgerufen, das Thema weiterhin behutsam zu entwickeln.

Behutsame Weiterentwicklung in den Gemeinden

Heute sind Segnungen homosexueller Paare innerhalb der Landeskirche möglich, so lange sie das Leitbild der kirchlichen Trauung respektieren. So stellte die Landessynode der EKvW 2001 in der Frage einen „zur Zeit nicht auflösbaren Dissens“ fest. Hier sei die theologische Weiterarbeit erforderlich. Demnach solle es wegen fehlenden theologischen Konsenses zwar keinen öffentlichen Segnungsgottesdienst für gleichgeschlechtliche Paare geben. Dennoch eröffnete die Landeskirche Handlungsmöglichkeiten im Bereich der pastoralen, seelsorglichen Begleitung von homosexuellen Paaren. „Diese Handlungsmöglichkeiten schließen ein, die ‚pastorale Begleitung’ auch liturgisch zu gestalten“, so das landeskirchliche Kirchenparlament. Analog zur 1996 erschienenen EKD-Orientierungshilfe „Mit Spannungen leben“ beschrieben die Referenten in Gronau abschließend die Spannung zwischen biblischen Aussagen und ihrer theologischen Exegese. Diese Spannung müsse auch weiterhin ausgehalten werden. Dazu könne die Podiumsdiskussion in Gronau womöglich einen kleinen Beitrag leisten, schloss Moderator Daniel Cord, Öffentlichkeitsreferent des Evangelischen Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, den Diskussionsabend. 

Weitere Informationen der EKvW zum Thema unter www.ekvw.de.