Kirchenkreis Steinfurt Coesfeld Borken

Fragestunde mit dem Rabbi

Teilnehmer*innen des Gesprächsabends führten spannende Diskussionen mit Efraim Yehoud-Desel

Rabbi Efraim Yehoud-Desel erlaubte tiefe Einblicke in den jüdischen Glauben (Foto: Screenshot/Rainer Nix).

„Wir haben die Kraft, wenn wir die Macht unserer Gedanken begreifen, Wunden der Vergangenheit zu heilen.“ Rabbiner Efraim Yehoud-Desel aus Münster hatte viel zu vermitteln - Glaubensgrundsätze, jüdische Weisheiten und Grundzüge jüdischen Denkens. Online begab er sich in einen Dialog mit Teilnehmer*innen der Veranstaltung „Frag‘ mal den Rabbi“, zu der die Erwachsenenbildung im Evangelischen Kirchenkreis Steinfurt-Borken-Coesfeld einlud.

Nicht mit jeder Aussage konnten sich die Teilnehmer*innen anfreunden. So nicht mit der Vorstellung, dass Gott jeden strafe, der mit seiner wunderbaren Schöpfung nicht glücklich sei. Ist ein „strafender Gott“ noch zeitgemäß? Der Rabbi war zur Diskussion bereit. Manche Aussagen sind, wie in jeder Religion, interpretationsbedürftig. Es sei so zu verstehen, dass jeder Mensch, der trotz Gottes großartiger Schöpfung nicht glücklich sei, sich quasi selbst bestrafe, konkretisierte er seine Aussage.

Der Referent wurde 1952 in Münsters Partnerstadt Rishon Le Zion, Israel, geboren. Er ist Rabbiner, Chasan, jüdischer Religionslehrer und Autor. „Efraim Yehoud-Desel war nach der Shoah der erste, der in der Synagoge Münster zum Rabbiner ordiniert wurde“, erläuterte Dr. Esther Brünenberg-Bußwolder, Referentin für Erwachsenenbildung im Kirchenkreis. Seit 2005 hat der Rabbi einen Lehrauftrag für jüdische Studien an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Kapuziner.

Jeder von uns, so Yehoud-Desel, schreibe wie ein Schriftsteller das Buch seiner eigenen Geschichte. Wir können in unserem Buch blättern und kommen irgendwo an eine Stelle unseres Lebens, an der wir einen großen Fehler gemacht haben. „Manche“, so der Rabbiner, „tragen die Gedanken an ihr Fehlverhalten jahrelang mit sich herum und werden dabei traurig oder sogar depressiv.“ Aber: Wenn wir in unserem Lebensbuch bis zur Stelle des Fehlverhaltens blättern, haben wir die Kraft, daraus zu lernen, sie noch einmal neu zu schreiben und das alte Kapitel zu beenden. Lebenshilfe aus dem reichen Schatz jüdischer Weisheit.

Der Rabbi erläuterte die vier Säulen jüdischen Glaubens: Gott als Schöpfer, Gott als Güte, Gott als Macht und die Erkenntnis, dass es in Gottesreich keinen Zufall gibt. Besonders aufschlussreich sind darüber hinaus vier Weisheiten aus den „Sprüchen der Väter“, bis heute der bekannteste und meistgelesene Abschnitt des Talmuds. Dieser ist eines der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums. In ihm steht geschrieben, wie Rabbiner Regeln in der Praxis und im Alltag verstehen und auslegen. „Wer ist der Reichste?“, heißt es dort. Derjenige, der mit seinem Teil zufrieden ist. Wer ist der Weiseste? Derjenige, der von jedem lernt, ohne irgendjemanden auszuschließen. Wer ist der Stärkste? Derjenige, der sich beherrschen kann. Und wer wird geehrt? Derjenige, der andere ehrt.

Rainer Nix